MICE: Kongress- und Seminarbusiness

Schulterschluss im Kongress-Business

Schulterschluss im Kongress-Business
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St.Gallen soll sich als Standort für Kongresse und Events noch mehr profilieren können. Dafür gehen die führenden Anbieter und das St.Gallen Convention Bureau eine enge Kooperation ein.

Eine Kennziffer erklärt, warum sich unter dem Dach von St.Gallen-Bodensee Tourismus Kongresse, Seminare, Meetings und andere Business-Events grosser Aufmerksamkeit erfreuen: «Mindestens zwei Drittel aller Übernachtungen in der Ostschweiz haben einen geschäftlichen Hintergrund», erklärt Chiara Rossi. Sie ist Leiterin des St.Gallen Convention Bureau, wo schon heute viele Anfragen von Leuten eingehen, die in der Ostschweiz einen Anlass planen.

Künftig erhofft sich Chiara Rossi für sich und ihr Team noch mehr Arbeit. Zusammen mit den wichtigsten Playern im Ostschweizer Kongress- und Event-Business – der Olma Messen St.Gallen AG, dem Einstein Congress, dem Netzwerk St.Gallen Health, der Universität St.Gallen und den beiden Standortförderungen von Stadt und Kanton St.Gallen sowie der Hotellerie – sollen neue Kongresse und Events in die Ostschweiz geholt werden.

Der Direktor von St.Gallen-Bodensee Tourismus, Thomas Kirchhofer, nennt den Schulterschluss eine «strategische Allianz», mit der St.Gallen als MICE-Destination gestärkt werden soll. MICE steht für Meetings, Incentives, Conventions, Exhibitions, also Tagungen, Firmenausflüge, Kongresse und Messen; die neue Initiative fokussiert vorrangig auf Kongresse und Events.

Auf den ersten Blick sieht dieser Zusammenschluss nicht sonderlich spektakulär aus, denn praktisch alle beteiligten Player haben schon bisher zusammengearbeitet. Neu sollen aber Synergien besser genutzt werden, die gemeinsame Sichtbarkeit nach aussen verstärkt werden und vor allem die Wege für bestehende und potenzielle Kunden verkürzt und die Servicequalität erhöht werden. «Wir führen alle Fäden bei uns im St.Gallen Convention Bureau zusammen, es gibt einen Point of Entry für alle Kunden in St.Gallen», erklärt Chiara Rossi. «Wenn Interessenten zu uns kommen, übernehmen wir alle Anfragen bei passenden Anbietern und damit die Koordination bis zur Buchung.»

Würth für Visionäre  Stiftung Lilienberg  
Chiara Rossi
Chiara Rossi

Unkomplizierter und schneller

Veranstalter von Kongressen oder anderen Business-Events haben bisher in der Regel selbst passende Räumlichkeiten gesucht, Hotelkontingente übers St.Gallen Convention Bureau reserviert und allenfalls noch bei der Standortförderung um finanzielle Unterstützung gebeten. Je nach Anlass mussten sie auch verschiedene Dienstleister für Catering, Eventtechnik verpflichten und allenfalls auch Künstler oder Übersetzungsdienste suchen. «Nun kümmert sich unser Team um die ganze Koordination bis zur Umsetzung, wo die Spezialisten der einzelnen Locations übernehmen», sagt Chiara Rossi. «Wir sind einerseits Ansprechpartner nach aussen und sprechen uns andererseits nach innen mit unseren operativen Partnern ab, um eine Anfrage zu beantworten.» Für potenzielle Kunden wird die Organisation eines Anlasses in St.Gallen einfacher, unkomplizierter und schneller.

Das St.Gallen Convention Bureau lenkt Interessenten dabei nicht auf bestimmte Anbieter. «Wir unterbreiten jede Anfrage allen Partnern, die grundsätzlich infrage kämen», betont Chiara Rossi. Partner, die Kapazitäten haben, können dem St.Gallen Convention Bureau eine Offerte abgeben. «Wir geben alle Angebote weiter, die Kunden entscheiden dann, wer den Zuschlag bekommt. Für uns wichtig, dass der Event nach St.Gallen kommt, wo er hier dann stattfindet, ist zweitrangig.»

Diese für Kunden bequeme Art der Organisation funktioniert, wenn sie in kurzer Frist gute Angebote erhalten. «Wir sind darauf angewiesen, dass unsere Partner rasch reagieren und uns signalisieren, ob sie zum gewünschten Zeitraum Kapazitäten haben und welche Konditionen dann gelten», erklärt Chiara Rossi. In der Praxis funktioniere das bereits ausgezeichnet: «Wir haben eine gemeinsame technische Plattform dafür, wir geben die Anfrage in ein System ein, die Partner können dann ihre Angebote eingeben. Wir müssen also nicht jedes Mal Dutzende E-Mails schreiben.»

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«Es gibt einen Point of Entry für alle Kunden in St.Gallen.»

Neue Kongresse in St.Gallen

Die Organisation St.Gallen-Bodensee Tourismus umfasst einen Perimeter von Wil bis Sennwald im Rheintal, «doch wenn es um Kongresse geht, ist der Fokus zu 98 Prozent auf St.Gallen gerichtet», wie Chiara Rossi sagt – hier gebe es bekannte und geeignete Locations für fast alle Bedürfnisse. Im Bereich zwischen den bis zu 350 Personen, die im Einstein Congress tagen können, und den Olma Messen, deren Hallen sich ab etwa 500 Personen anbieten, gibt es eine kleine Lücke, «wir haben aber mit dem Würth-Haus Rorschach, das sehr beliebt und gut gebucht ist, und auch der Universität St.Gallen gute Alternativen.»

In St.Gallen wird man auch darüber hinaus fündig. Mitten im Stiftsbezirk kann der aussergewöhnliche Pfalzkeller gebucht werden, wer hoch hinaus will, findet Kongress- und Seminarräumlichkeiten sogar am Fuss und am Gipfel des Säntis.

 

Klare Trennung von Seminaren und Kongressen

Gegenüber dem Switzerland Convention & Incentive Bureau, der Dachorganisation aller Convention Bureaus von Schweiz Tourismus, vertritt das St.Gallen Convention Bureau die gesamte Ostschweiz zusammen mit Liechtenstein Marketing. «Dadurch können Unternehmen aus dem Thurgau oder aus dem Appenzellerland mit uns an Fachmessen auftreten.»

Die Arbeitsteilung in der Ostschweiz unterscheidet zudem klar zwischen Kongressen und Seminaren. «Als Convention Bureau fokussieren wir auf die grösseren Anlässe, der ganze Seminarbereich wird von den Kolleginnen vom Seminarland Ostschweiz abgedeckt», sagt Chiara Rossi. Wenn eine Anfrage für ein Seminar im Convention Bureau eingeht, wird die umgehend weitergeleitet; «das ist eine Frage von Minuten, wir arbeiten im gleichen System».

Als Seminare gelten Anlässe mit bis zu 300 Teilnehmertagen, also etwa ein dreitägiger Anlass mit 100 Teilnehmern. Alles, was grösser ist, wird vom Convention Bureau bearbeitet.

Seminarland Ostschweiz, eine Kooperation zwischen Thurgau Tourismus und St.Gallen-Bodensee Tourismus, hat 2024 einen Umsatz von zwei Millionen Franken erarbeitet und damit die Marktpräsenz erhöht. Rund 700 Anfragen hat das Team bearbeitet, etwas mehr als die Hälfte davon konnte tatsächlich zu einem Abschluss gebracht werden.

Energiekongress 2025  

«Als Convention Bureau fokussieren wir auf die grösseren Anlässe.»

2025 wird der fünfte Gamma-Kongress, die Tagung der Gesellschaft für die Analyse Menschlicher Motorik in ihrer klinischen Anwendung, erstmals in der Schweiz stattfinden – Hauptlocation wird hier die Tonhalle in St.Gallen sein.

Auch die Schweizerische Gesellschaft für Rekonstruktive Zahnmedizin wird nach jahrelangen Zusammenkünften in Lausanne, Genf, Zürich und vor allem Bern nun die Ostschweiz entdecken; ihr Jahreskongress 2025 wird in Räumen der Olma Messen abgehalten.

Beide Kongresse, die gut in den Cluster von St.Gallen Health passen, haben bisher auf wechselnde Austragungsorte gesetzt. Vielleicht machen sie ja künftig öfter Station in der Ostschweiz, wenn sie herausfinden, dass das Motto «St.Gallen – überzeugend anders» der St.Galler Kongress-Offensive tatsächlich stimmt.

Gründe, die für einen Kongress in St.Gallen sprechen, gibt es gemäss Chiara Rossi viele. Das beginnt mit der Lage – St.Gallen liegt nicht am Rande der Schweiz, sondern ist «zentral im Vier-Länder-Eck» situiert. Natürlich verweist die Leiterin des St.Gallen Convention Bureau auch auf den Stiftsbezirk als Unesco-Welterbe oder das textile Erbe der Region: «Wir können als Rahmenprogramm Führungen in der Stiftsbibliothek oder im Textilmuseum anbieten, das zieht extrem gut.» Die Universität St.Gallen als Hort geballten Wissens ist ebenfalls ein Pluspunkt, «etliche Kunden nutzen das und arbeiten mit Professoren zusammen.»

«Die Strategie stärkt das Image St.Gallens als Standort für Fachkongresse.»

Mehr Anfragen für MICE-Anlässe

Das St.Gallen Convention Bureau wiederum hat letztes Jahr 126 Anfragen für MICE-Anlässe bearbeitet, das sind 30 Prozent mehr als noch 2022. Bei 20 Anfragen ging es um Kongresse, 69 Dossiers waren verschiedenste Events, 30 Mal ging es um grössere Meetings, und sieben Kunden planten Incentives, also Geschäftsausflüge mit Belohnungscharakter. Die Conversion-Rate bei all diesen Anfragen liegt bei 45,5 Prozent, 57 Anlässe wurden tatsächlich hier durchgeführt.

Der wichtigste Markt für MICE-Anlässe in St.Gallen ist die Schweiz, gut 70 Prozent der Anfragen kommen aus dem Inland. Weitere 15 Prozent stammen aus Deutschland und Österreich, das restliche Europa macht 10 Prozent der Anfragen aus.

Die Wertschöpfung der vom St.Gallen Convention Bureau betreuten Veranstaltungen lag im letzten Jahr bei knapp 4,3 Millionen Franken. Für die Kunden ist der Service des St.Gallen Convention Bureaus kostenlos.

Thematisch setzt das St.Gallen Convention Bureau vor allem auf Kongresse, die zu den Stärken von Forschung und Wirtschaft im Raum St.Gallen passen. Das sind gemäss Chiara Rossi insbesondere Gesundheit mit dem Netzwerk St.Gallen Health, in dem sich 40 Institutionen aus der ganzen Region zusammengeschlossen haben; der Austausch zwischen Wirtschaft & Wissenschaft mit der HSG und Fachhochschule Ost; der Präzisionsindustrie; dem Bereich Landwirtschaft & Ernährung sowie der Informations- und Kommunikationstechnik. Für den Direktor von St.Gallen-Bodensee Tourismus, Thomas Kirchhofer, sichert diese Strategie nicht nur eine hohe Wertschöpfung, «sie stärkt auch das Image St.Gallens als Standort für Fachkongresse».

Text: Philipp Landmark

Bild: zVg

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