«Unternehmertypen» sind gefragt
Leodegar Kaufmann, bei einer Nachfolgeregelung gibt es verschiedene Modelle – eine firmeninterne Lösung, eine familieninterne oder eine externe. Mit welcher haben Sie es am meisten zu tun?
Leider sind familieninterne Nachfolgen eher selten geworden. Meist findet sich eine firmeninterne oder eine externe Lösung. Oder oft auch gar keine: Viele Kleinstfirmen bieten keine Existenzgrundlage mehr oder sind zu sehr von der Person des Firmeninhabers abhängig. Bei Einzelfirmen mit sehr persönlichen Dienstleistungen beispielsweise können die Kundenbeziehungen nicht auf den Nachfolger übertragen werden.
Worauf gilt es bei einer Lösung innerhalb der Firma zu achten?
Als wichtigster Faktor muss die Firma selber überlebensfähig sein und im Wettbewerbsumfeld weiterhin bestehen sowie Potenziale entwickeln können. Ist dies gegeben, muss der firmeninterne Nachfolger ein «Unternehmertyp» sein. Unternehmer sind Leute, die sowohl fachlich wie auch menschlich Vorbildfunktionen übernehmen. Menschen, die Visionen haben und diese mutig umsetzen, die Chancen sehen. Kommunikative Persönlichkeiten, welche die Mitarbeiter, die Kunden und sich selbst für eine Sache begeistern können und die Unternehmung aktiv weiterentwickeln. Dann sollte der Nachfolger vom Firmeninhaber und seiner ganzen Familie natürlich unterstützt werden, sodass alle Angestellten, Kunden und sämtliche weitere am Firmengeschehen Beteiligten an die Nachfolge glauben und ihr vertrauen.
Und wenn diese Punkte gegeben sind?
Die Firma muss bewertet, diverse Verträge müssen ausgearbeitet und die Nachfolgestrukturen steuerlich optimal ausgestaltet werden. Meist lohnt sich hier der Miteinbezug der zuständigen Steuerbehörde mit einem Steuerruling der Nachfolgestruktur. Schliesslich darf die Kommunikation nicht vergessen werden: Angestellte, Kunden und andere Stakeholder möchten wissen, wie es weitergeht. Wer sind die Nachfolger, wie sieht die neue Firmenstruktur aus, wie ist die Firmenstrategie? Hier lohnt es sich, proaktiv zu kommunizieren und so die wichtigen Leute für sich zu gewinnen.
Bei familieninternen Lösungen kommt wohl auch noch das «Beziehungsfeld Familie» hinzu?
Natürlich: Sämtliche Familienmitglieder müssen sich bei einer Nachfolge fair und gleich behandelt fühlen. Dies bei den geplanten neuen Führungsstrukturen wie auch bei den finanziellen Angelegenheiten. Leider ist dies nicht immer einfach. Manchmal ist es unumgänglich, klare Grenzen zu ziehen, damit sich die Firma losgelöst von familiären Stimmungsschwankungen weiter entwickeln kann.
Lohnt es sich in jedem Fall, bei der Nachfolgeregelung professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen?
Es gibt Nachfolgelösungen ohne externe Unterstützung, jedoch sind die aus meiner Erfahrung eher selten. Spätestens bei technischen Problemstellungen wie Vertragsausgestaltungen, Steueroptimierungen oder Unternehmensbewertungen kommen externe Experten ins Spiel. Zudem können Nachfolgeexperten, besonders bei familieninternen Nachfolgelösungen, eine grosse Hilfe sein. Unter der Leitung eines externen Coaches können familieninterne Befindlichkeiten auf einer weniger persönlichen Sachebene angegangen werden. Dies braucht aber viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl.
Mittlerweile gibt es einen richtigen Nachfolge-Markt mit spezifischen Anbietern. Was bietet ein Treuhänder, was ein anderer Mitbewerber nicht auch leisten kann?
Der Treuhänder kennt seine Kunden und deren Familien bestens und konnte über Jahre grosses Vertrauen erarbeiten. Dies hilft bei Nachfolgelösungen, keine Frage. Er kann so als externer Coach und Vertrauensperson gemeinsam mit dem Unternehmer, seiner Familie und dem Nachfolger Lösungen umsetzen. Gute Treuhandunternehmen verfügen über eine entsprechende Unternehmensgrösse mit eigenen Fachexperten. Die Vielfalt an Gesetzen, Regelungen und Aufgaben benötigen zwingend interne Fachleute bei Steuern, Mehrwertsteuern, Sozialversicherungen, Recht und vielem mehr. So sind wir von der inspecta auch in der Lage, komplexe Nachfolgelösungen professionell zu begleiten. Grenzen sehen wir vor allem bei M&A-Projekten mit sehr grossen Firmen und internationalen Verknüpfungen. Hier können auf M&A-Transaktionen spezialisierte Firmen die Lücken schliessen.
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Schauen wir die externe Nachfolgelösung an: Wie läuft ein Verkaufsprozess in der Regel ab?
Die Schwierigkeiten beginnen meist schon bei der Suche des potenziellen Nachfolgers: Wo soll man seine Firma ausschreiben? Es gibt zwar Nachfolgeplattformen, aber aus meiner Erfahrung sind diese meist nicht so ergiebig. Erfolgsversprechender sind ein professioneller Verkaufsprospekt und gute Branchennetzwerke, Kontakte zu Kunden, Lieferanten und Banken. Für einen professionellen Verkaufsprospekt braucht es eine Unternehmensbewertung und meist eine sogenannte «Vendor Due Diligence», sodass der Verkäufer einen genauen Überblick über Stärken, aber auch über die Schwachpunkte des eigenen Unternehmens und somit über eventuelle Haftungsrisiken erhält. Sind Nachfolger und Nachfolgestrukturen gefunden, müssen diese ein «Non-Disclosure Agreement» unterzeichnen, bevor sie das Angebot mittels einer «Due Diligence» selber prüfen dürfen. Kommt es zur Einigung, werden in einem «Letter of Intent» die Transaktionsstruktur, der Kaufpreis sowie das weitere Vorgehen schriftlich niedergelegt. Noch während der Due Diligence beginnen Entwurf und Verhandlung des Unternehmenskaufvertrages. Dann folgen die Umsetzung, das «Closer» und die Kommunikation.
Bei einem Firmenverkauf geht es um das Lebenswerk, das ein Firmeninhaber nicht einfach «verscherbelt» sehen möchte ... Wie begegnet ein Profi wie Sie den Emotionen, die während des Verkaufsprozesses entstehen?
Wenn der Unternehmer von der Nachfolge überzeugt ist, habe ich solche Gedanken selten erlebt. Wichtig ist deshalb, den Nachfolgeprozess nur zu starten, wenn der Unternehmer davon auch wirklich überzeugt ist. Meist hängt dies auch mit der Person des Nachfolgers und einer guten Begleitung resp. Kommunikation zusammen. Sind sich Firmeninhaber und Nachfolger sympathisch und wird jeder Schritt mit dem Unternehmer besprochen, laufen Nachfolgen meist unproblematisch ab. Passen Firmeninhaber und Nachfolger nicht zusammen, wird die Nachfolge in jedem Fall scheitern.
Gibt es weitere sensible Themen?
Was mir immer wieder auffällt, sind ehemalige Firmeninhaber die nach erfolgter Stabübergabe nicht wissen, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen. Ihre Lebensaufgabe, klare Strukturen und oft auch die öffentliche Aufmerksamkeit sind plötzlich weg. Das kann schon Unsicherheiten und Ängste auslösen. Hier lohnt es sich, sich bereits im Vorfeld der Nachfolge auf den Ruhestand vorzubereiten oder mit Hilfe professioneller Unterstützung den dritten Lebensabschnitt zu gestalten.
Ein Stolperstein sind sicher verschiedene Vorstellungen, was die Firma für einen Wert haben soll.
Dies ist effektiv ein heikles Thema. Ich habe Firmeninhaber erlebt, die sich den zehnfachen Kaufpreis vorgestellt haben, als das Unternehmen effektiv wert war. In solchen Situationen setze ich mich mit dem Unternehmer zusammen, versetze mich mit ihm in die Person des Nachfolgers und mache gemeinsam mit ihm eine mindestens fünfjährige Finanzplanung. Mit der auf dieser Planung angewendeten «Free Cashflow»-Unternehmensbewertungsmethode und den gemeinsamen Überlegungen zum Umsatz kann ich dem Unternehmer den Kaufpreis meist sehr anschaulich plausibilisieren.
Wie oft passiert das?
Nicht sehr oft. Die meisten Unternehmer haben eine realistische Vorstellung, was ihr Unternehmen wert ist. Zudem sind viele Unternehmer ihren Nachfolgern sehr wohl gesinnt und froh, wenn ihr Lebenswerk unter professionellen Händen erfolgreich weitergeführt wird.
Zum Schluss: Wann macht es aus Ihrer Sicht Sinn, von einem Verkauf abzusehen?
Wenn der «Patron» nicht aufhören will, die Unternehmung nicht überlebensfähig oder der vermeintliche Nachfolger einfach kein Unternehmertyp ist, dann würde ich von einer Nachfolge abraten resp. ein solches Mandat gar nicht annehmen. Vielleicht macht es auch einmal Sinn, ein Unternehmen einfach zu liquidieren; es muss nicht für alles eine Nachfolge geben.