Eine weltoffene Regentin in der Küche
Text: Marion Loher
Mit 17 Gault-Millau-Punkten und einem Michelin-Stern zählt Silvia Manser von der Truube in Gais zu den besten Köchinnen des Landes. Im vergangenen Jahr wurde sie vom von Gault-Millau zudem zur «Aufsteigerin des Jahres» gekürt und als die «kulinarische Königin der Ostschweiz» bezeichnet. Eine Auszeichnung, über die sich Silvia Manser freut. «Da wir nun schon seit mehr als 20 Jahren in der Truube wirken, empfinde ich dies als Anerkennung für unsere erbrachten Efforts», sagt sie.
Solche Auszeichnungen können aber auch eine Belastung sein: Der Druck steigt, die Erwartungen werden höher. Damit könne sie gut umgehen. «Ich bin mir bewusst, dass es auch irgendwann einmal in die andere Richtung gehen kann.» Deshalb geniesst sie es jetzt umso mehr. Ebenfalls «happy» ist die Gourmetköchin mit ihren 17 Gault-Millau-Punkten. «Ich bin deswegen nicht nervös», sagt sie und lacht. «Ich denke, dass 17 Punkte angemessen und realistisch sind und auch zu unserem Betrieb und unserer Art, wie wir ihn führen, passen.»
Rezepte sind kein Geheimnis
2001 hat Silvia Manser das Restaurant im traditionellen Appenzellerhaus in Gais von ihren Eltern übernommen und zusammen mit ihrem Mann Thomas Manser aus der Dorfbeiz ein Gourmetlokal gemacht. Die Truube bietet Platz für rund 30 Gäste, um die sich von Donnerstag bis Montag täglich bis zu acht Mitarbeiter kümmern – einschliesslich der Köchin selbst und ihrem Mann, der Sommelier ist.
Auf der Menükarte stehen Gerichte wie Zitronengras-Ingwersuppe mit Jakobsmuschel im Panko und Chinakohl, geschmortes Kalbsbäggli mit Gnocchi Parisienne, Süsskartoffeln, Zwiebel und Flower sprouts, Fregola Sarda mit Wirsing und wilder Broccoli sowie Scampi-Randen-Radieschen-Kalamansi. Im «Gault-Millau»-Führer heisst es dazu: «Die Chefin baut auf eine klassische Küche, die sie aber mit gezielten Eingriffen aktuell und weltoffen hält.» Die Rezepte sind keine Geheimnisse. Wenn ein Gast fragt, verrät sie die «eigentlich immer». Die Spitzengastronomie ist mit einem grossen Aufwand verbunden.
Die Frage, ob sich dieser Aufwand denn auch lohnt, lässt sich für die Gourmetköchin nicht allgemein beantworten. «Vielleicht ist lohnen das falsche Wort», gibt sie zu bedenken. «Wenn man etwas aus Leidenschaft macht, zählt man die Stunden nicht. Unter dem Strich muss es einfach rentieren.» Sonst müsse man «die Übung abbrechen». Oder sich einen Sponsor suchen, der einem das teure Hobby finanziere, fügt sie an und schmunzelt.
Kochen auf einem Schiff in der Antarktis
Beim Kochen liegt Silvia Manser besonders am Herzen, mit frischen, saisonalen Zutaten zu arbeiten. Wenn möglich, sollten diese aus der Schweiz sein. Natürlich haben auch Meeresfische oder Seafood zwischendurch Platz auf der Speisekarte. Denn: «Ein bisschen Abwechslung schadet nie.» Spitzenköche sind bekannt dafür, wählerisch zu sein, wenn es um die Zutaten geht. Auch die Appenzellerin bekommt nicht immer die Produkte, die sie sich auch wünscht. «Aber nachdem wir auf einem kleinen Kreuzfahrtschiff in der Antarktis gekocht haben, sind wir wieder zufrieden mit unseren Lieferanten.»
Die Erfahrung auf dem Kreuzfahrtschiff hat sie vor Kurzem gemacht. Silvia Manser ist Mitglied der Vereinigung selbstständiger junger Spitzenköchen und Gastronomen, kurz JRE Schweiz, die sich der Förderung der kulinarischen Kultur verschrieben hat. Diese JRE haben seit einiger Zeit eine Partnerschaft mit einer Schifffahrtsgesellschaft, die abwechselnd Gastköche an Bord einlädt, damit sie für die Passagiere kochen. Die Ostschweizer Spitzenköchin war in diesem Jahr von Mitte Januar bis Mitte Februar in Südamerika, um unter anderem die Gäste auf einer Kreuzfahrt in die Antarktis kulinarisch zu verwöhnen. «Es war ein tolles Erlebnis.»
Ein neues Phänomen in der Gastro
Zwei Themen, die auch für die Spitzengastronomie eine grosse Herausforderung darstellen, sind der Fachkräftemangel und die No-Shows. Letzteres ist die Bezeichnung für das Nichterscheinen von Gästen trotz getätigter Reservationen, ohne sich vorher abzumelden. Ein Phänomen, das sich in den vergangenen Monaten in der Gastro-Branche immer stärker verbreitet hat. Viele der Gastronomen haben angefangen, bei einer nicht-rechtzeitigen Stornierung der Reservation oder gar keiner Abmeldung eine Gebühr zu verlangen. Auch Silvia Manser tut es. Bei ihr sind es 100 Franken, was sie auch auf ihrer Webseite publiziert hat. «Spätestens ab dem Vortag der Reservation werden erhöhte Kosten ausgelöst; es wird eingekauft, zu produzieren begonnen und Personal eingeteilt», erklärt sie. «Bleiben die Plätze dann frei, bedeutet das nicht nur zusätzliche Kosten für uns, sondern auch Foodwaste – und das erheblich.» Grundsätzlich habe sie bisher nur wenig Probleme mit No-Shows gehabt, sagt sie. «Seit wir es aber auf unserer Website explizit erwähnen, hat sich die Zahl noch verkleinert oder die Gäste melden sich zumindest frühzeitig ab und nicht erst eine halbe Stunde vor der getätigten Reservation.»
Etwas schwieriger ist das Problem des Fachkräftemangels zu lösen. «Oftmals dauert es sehr lange, bis eine Stelle wieder besetzt werden kann – und ob man dann Schweizer Mitarbeiter bekommt, ist dann wieder eine andere Frage.»
Text: Marion Loher
Bild: Marlies Beeler-Thurnheer