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Kommunikation mit dem gewissem «Dreh»

Kommunikation mit dem gewissem «Dreh»
Lesezeit: 6 Minuten

PR-Beratern haftet oft etwas Anrüchiges an, doch die meisten Kommunikationsfachleute versuchen nur, einen möglichst unspektakulären Job zu machen. Mit spektakulären Ausnahmen, wie die «Standleitung» vom Eidgenössischen Departement des Innern zur Konzernzentrale von Ringier zeigt.

Will wirklich noch jemand diesen Job haben? Wer es sich im Jahre 2023 zur Aufgabe macht, sein Publikum nüchtern und sachlich zu informieren, hat entweder sehr viel Überzeugung – oder aber eine ordentliche Portion Kreativität. Egal ob öffentliche Verwaltungen oder Unternehmen, Organisationen oder Parteien, sie alle haben das gleiche Problem: Gewisse Milieus sind für die Kommunikation fast nicht mehr zu erreichen. Die Rede ist nicht vom Marketing; dass die Menschen sich gegen Werbung abzuschotten versuchen und genau darum bis in den hintersten digitalen Winkel ihres Lebens mit verkappten Produkte-Empfehlungen verfolgt werden, ist eine andere Geschichte. Gemeint ist die Kommunikation, etwa mit den Stakeholdern eines KMU. Dazu gehören hoffentlich Kunden, aber eben auch Mitarbeiter, Mitbewerber, Behörden, die Öffentlichkeit – die Liste kann lang werden. Wird einer Firma – Zu Recht oder zu Unrecht – ein schwerwiegender Vorwurf gemacht, ist es extrem schwierig, sich dagegen zu wehren. Die Kunst ist dann nicht, den Sachverhalt aus der eigenen Optik zu erzählen. Die Kunst ist, dafür Gehör zu finden. Hat eine Bad News einmal ein Eigenleben bekommen, dann ist die Skandalisierungslogik unerbittlich, der Shitstorm scheint unaufhaltsam. Normale Kommunikationsabteilungen kleiner Firmen oder Verwaltungen kommen da rasch einmal an den Anschlag und rufen Krisenkommunikations-Spezialisten zu Hilfe.

Wettbewerb der Ideen

Die Kommunikations-Arsenale waren noch nie so vielfältig wie heute, doch bewirkt diese Entwicklung auch, dass sich stark abgeschottete Blasen von Gleichdenkenden und Gleichinformierten bilden. Ob diese Informationen noch Tatsachen entsprechen oder von anderen als Fake News abgetan werden, scheint einer signifikanten Gruppe von Menschen vollkommen egal zu sein. Diese Bubble-Bildung ist nicht nur für Leute mit einem Kommunikationsauftrag ein Horror. Sie kann ein kleines Unternehmen mit knappen Ressourcen schnell einmal überfordern, und diese Tendenz untergräbt auch jede demokratische Gesellschaft. Demokratie lebt vom freien Austausch der Argumente und vom Wettbewerb der Ideen. Gibt es keinen gemeinsamen Marktplatz der Meinung mehr, gewinnen totalitäre Strömungen die Oberhand. Freiheit bedingt freie und faire Kommunikation. Die Politik in einer Demokratie muss wiederum von kritischem und unabhängigem Journalismus hinterfragt und kontrolliert werden. Umgekehrt dürfen politische Mandatsträger und Behörden die Chance haben, ihre Ideen zu promoten und ihr Handeln zu erläutern. Nun, diese Möglichkeit besteht. Die Kommunikationsabteilungen der öffentlichen Hand sind nicht gerade am Schrumpfen – nicht nur, weil es per se keine schrumpfenden Verwaltungsabteilungen gibt, sondern weil die Dienste dieser Spezialisten ganz einfach gefragt sind. Was nicht dazu führen darf, dass die Kommunikationstruppen übers Ziel hinausschiessen. Die meisten haben irgendwann gemerkt, dass es schlecht ankommt, wenn Ex-Journalisten Journalisten ihre Arbeit erklären wollen. Einige versuchen deshalb, den Risikofaktor Medien gleich von Anfang an möglichst klein zu halten.

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Gespieltes Interview

Im letzten Sommer trat der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Republica auf, der grössten Digitalkonferenz Europas. Eine gute Chance, um dem Land Tatkraft in der Digitalpolitik – was immer das auch sein soll – zu demonstrieren. Als sehr erhellend wurde das Interview mit dem Regierungschef im Nach- hinein nicht rezipiert, aber immerhin leistete sich Scholz in diesem Thema keine Patzer wie seine Vorgängerin Angela Merkel, die einst sagte: «Das Internet ist für uns alle Neuland.» Das Entsetzen von Merkels Kommunikationsabteilung ist nicht überliefert, es braucht aber nicht viel Fantasie, um sich das Grauen in den schillerndsten Farben auszumalen. Haben die heutigen Kommunikationsspezialisten im Bundeskanzleramt ihren Chef also gut auf die Digitalmesse vorbereitet? Zu gut sogar, wie nun eine Recherche der «TAZ» publik machte. Scholz wurde auf der Bühne von Moderatorin Linda Zervakis befragt, einer aus ARD und Pro7 bekannten und, so dürfte man denken, unabhängigen Journalistin. Doch nun weist die «TAZ» nach, dass die Moderatorin nicht vom Veranstalter, sondern direkt von Scholz’ Büro engagiert und bezahlt wurde. In der Anfrage an das Management der Moderatorin schrieb das Bundeskanzleramt: «Die inhaltliche Vorbereitung mit Ihnen würden wir natürlich eng begleiten.»

Bersets «Standleitung»

Zustände wie in Deutschland sind in der Schweiz natürlich –  na ja, nicht ganz undenkbar. Spätestens seit die Mails aus dem Departement von Bundesrat Alain Berset an Ringier-CEO Marc Walder an die Öffentlichkeit gelangten, fragt man sich manchmal auch hierzulande, wie die Heerscharen an Kommunikationsfachleuten im Solde des Bundes ihre Pflichtenheft interpretieren. Oder ob sie überhaupt eines haben. «Lieber Herr Walder, Zwischenbericht und wie immer vertraulich: …» schrieb Bersets Kommunikationschef Peter Lauener. Gemäss CH-Media» gab es rund 180 Emails an Marc Walder. Auch wenn nicht jedes einzelne eine Amtsgeheimnisverletzung darstellen dürfte: Der selbstverständliche, routinierte Austausch macht sprachlos. Wortreich revanchierten sich dafür die Ringier-Medien, allen voran der «Blick», sich im redaktionellen Teil in devoter Dankbarkeit für die gesteckten Primeurs. Ohne den juristischen und politischen Untersuchungen vorgreifen zu wollen, darf man nüchtern feststellen, dass diese systematischen Indiskretionen und diese bewusste Instrumentalisierung der Publikationen eines willfährigen Medienhauses ein veritabler Skandal sind. Den Schmusekurs von Berset und Walder konnte man schon länger nicht übersehen, den Beleg für die systematische Küngelei hinter den Kulissen hat nun aber erst eine weitere Indiskretion ans Tageslicht gefördert. Im Versuch, Alain Berset vor dem eigentlich unver- meidlichen Rücktritt zu bewahren, skizziert die politische Linke abenteuerliche «SVP-Connections» um zu belegen, wie die Lauener- Mails direkt aus den Untersuchungsakten in die Redaktionsstuben von «CH-Media» gelangten. Die grösste Stärke dieser Theorie: Es gibt bisher keine andere halbwegs plausible Story, die diesen ebenfalls inakzeptablen Vorgang plausibel erklären kann. Schliesslich gelangten die Emails im Kontext einer ganz anderen Affaire überhaut in die Untersuchung. Wer immer sie geleakt hat, will selbstverständlich Alain Berset schaden. Stramme Linke waren da wohl nicht involviert. Auch wenn dem Bekanntwerden der Lauener-Mails unschön nachgeholfen wurde: Bundesrat Alain Berset wird sie schon gekannt haben. Es ist schlicht nicht plausibel, dass Bundesrat Alain Berset von den Aktivitäten eines seiner engsten Mitarbeiter nicht mitbekommen hat. Sitzen am Tisch der Bundesrätinnen und Bundesräte also eher Spin Doctors als Kommunikationsfachleute? Eigentlich wären die Bundesverwaltung und auch der Bundesrat dazu angehalten, nüchtern und sachgerecht die Bevölkerung zu informieren – schliesslich ist der Souverän ja der Chef hier im Lande. Tatsächlich wähnt man aber Spin Doctors an der Arbeit: Leute eben, die einer Sache einen entscheidenden «Dreh» geben können, um die eigene Chefin im günstigen Licht erscheinen zu lassen oder einen Konkurrenten anzuschwärzen.

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Medien brauchen Indiskretionen

Wenn nun der Kommunikationsverantwortliche von Bundesrat X bei jedem Sachgeschäft zwischen den Zeilen die Leistung des eigenen Chefs herausstreicht, ist das einigermassen erwart- bar und nicht weiter schlimm. Erfahrene Journalistinnen und Journalisten streichen überflüssiges Gesülze reflexartig weg. Anders verhält es sich, wenn ein Spin Doctors Internas aus anderen Departementen klandestin an eine einzelne Redaktion weiterreicht, damit diese einen Primeur landen kann, der – so die Kalkulation des Informanten – dem Konkurrenten schadet. Denn einerseits sind Medien auf gewisse Indiskretionen angewiesen, um fundierte Anhaltspunkte für substanzielle und nicht selten relevante Recherchen zu haben. Andererseits machen sich die Medien so zum Komplizen in Machtspielchen, die zumindest zu Beginn nicht wirklich transparent sind.

Sowohl Kommunikationsfachleute und PR-Berater als auch Journalisten müssen selbstverständlich den Gesetzen des Marktes gehorchen. Das eigene Gewissen und die hüben und drüben durchaus vorhandenen Standesregeln darf man trotzdem konsultieren. Es gibt keinen Zwang, sich zu diskreditieren. Für Journalisten wie Kommunikationsleute gilt gleichermassen: Glaubwürdigkeit ist das höchste Gut.

Image-Polierer mit schlechtem Image

Der Begriff PR-Berater übrigens hat in der Schweiz ziemlich genau seit 1989 einen unangenehmen Beigeschmack: Damals versuchte ein gewisser Klaus J. Stöhlker das Image von Elisabeth Kopp zu reparieren. In Erinnerung blieb ein Mann, der grossspurig und selbstverliebt stets sich selbst in Zentrum stellte – und der von der Schweizerischen Public Relations Gesellschaft bald rausgeworfen wurde, weil er sich nicht an die Standesregeln hielt. Elisabeth Kopp hätte diesen Support rückblickend nicht nötig gehabt. Sie hatte nämlich Stil bewiesen; die erste Frau im Bundesrat trat nach genau einem Fehler aus der Regierung zurück. Würde man Berset-Massstäbe anlegen, würde die Freisinnige wohl heute noch im Bundeshaus wirken.

Text: Philipp Landmark

Bild: EDI

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