Wirtschaft

Der Roboter zieht in den OP ein

Der Roboter zieht in den OP ein
Peder Koch, Dr. med. Paul-Michael Bodler
Lesezeit: 3 Minuten

Ende April 2024 wurde in der Berit-Klinik Speicher die erste Operation mit der «Velys Robotic-Assisted Solution» erfolgreich durchgeführt. Dabei unterstützt der Roboter den Operateur, haargenaue Schnitte zu setzen und die Implantate noch genauer an die individuelle Anatomie anzupassen. Berit-CEO Peder Koch und Gelenksersatz-Spezialist Dr. med. Paul-Michael Bodler blicken für den LEADER in die Zukunft der Roboterchirurgie in der Orthopädie.

Peder Koch, wenn Sie sich am Knie verletzt hätten: Würden Sie lieber von einem Chirurgen mit oder ohne Velys-Roboter-Hilfe behandelt werden?
PK: Ich würde mich vor allem von einem Operateur operieren lassen, der viel Erfahrung hat und eine bewährte Prothese verwendet. Wenn er dabei mit dem Velys-Solutions-System operiert – umso besser!

Paul-Michael Bodler, können Sie die Hauptvorteile des Velys-Robotersystems für die Patienten und die Operateure erläutern?
PMB: Das Velys-System ermöglicht dem Operateur, das künstliche Gelenk entsprechend der individuellen Anatomie des Patienten optimal zu platzieren. Als einziges System auf dem Markt kombiniert es dazu ein intraoperativ erstelltes anatomisches 3D-Modell des Kniegelenkes unter Einbeziehung der Weichteilspannung mit einem Roboterarm, der dem Operateur eine hochgradig genaue Präparation des Knochens erlaubt. Der Operateur kann jeden Schritt individuell beeinflussen. Aufwendige und zum Teil belastende bildgebende Verfahren – wie ein MRI oder ein CT – sind dazu präoperativ nicht notwendig.

Bei welchen Operationen wird das System in der Berit-Klinik eingesetzt?
PK: Aktuell bei der Implantation von primären Knietotalprothesen. Mit der Industrie sind wir immer in Kontakt und prüfen selbstverständlich laufend alle Möglichkeiten, die eine Qualitäts- und Sicherheitsoptimierung zur Folge haben könnten.

 

Und welche Funktionen übernimmt dabei der Roboter?
PMB: Am Roboterarm ist eine Säge befestigt. Die zuvor am 3D-Modell geplanten Sägeschnitte werden von diesem exakt auf dem Knochen übertragen. Die Säge wird vom Operateur aktiviert; der Roboter bestimmt die genaue Schnittführung.

Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit dem Velys-Robotersystem gemacht?
PMB: Durchwegs positive, sowohl bezüglich der intraoperativen Abläufe als auch der postoperativen Ergebnisse. Vor allem bei schwierigen anatomischen Verhältnissen wie starkem X- oder O-Bein erleichtert das System dem Operateur, die Prothese optimal zu platzieren.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung und Automatisierung in der modernen Orthopädie bei der Berit-Klinik?
PK: Alle wesentlichen Prozesse sind inzwischen digitalisiert – beginnend bei der Erfassung der Patientendaten über die gesamte Bildgebung bis hin zur Datenverarbeitung. Neben der Implantation von Kniegelenken wird auch bei wirbelsäulenchirurgischen Eingriffen ein Navigationssystem eingesetzt. Zukünftig werden ähnliche Systeme wahrscheinlich auch noch bei der Implantation anderer Kunstgelenke verwendet werden. Abgesehen von der Unterstützung des Operateurs beim Sägen durch den Roboterarm wird der Patient bei uns ansonsten «von Hand» behandelt. 

 

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Das Velys-Robotersystem im Einsatz.
Das Velys-Robotersystem im Einsatz.

Wie haben sich die Operationsmethoden in der Orthopädie durch den Einsatz neuer Technologien in den letzten Jahren in der Berit-Klinik verändert?
PMB: Die Operationsmethoden sind technischer, der Aufwand grösser geworden, die Ergebnisse dadurch genauer und reproduzierbarer.

Gibt es besondere Schulungsprogramme für Chirurgen, um den Umgang mit Robotersystemen und anderen neuen Technologien zu erlernen?
PK: Ja. Bevor ein Operateur mit diesen Systemen operiert, durchläuft er ein ausführliches Schulungsprogramm und schliesst dieses mit einer Zertifizierung ab. Ebenso wird das Operationspersonal speziell geschult. In einer ersten Phase setzt nur ein Teil der Chirurgen das Verfahren ein. Sobald die Abläufe standardisiert und optimiert sind, werden nach und nach auch weitere Operateure mit diesem System operieren.

Wie nehmen die Patienten die Einführung solcher hochmodernen Technologien in der orthopädischen Chirurgie wahr – eher als Bereicherung oder eher als Bedrohung?
PMB: Definitiv als Bereicherung. Sie erhoffen sich dadurch noch bessere Operationsergebnisse. An erster Stelle steht jedoch die individuelle Arzt-Patienten-Beziehung. Unsere Patienten können sich darauf verlassen, dass sie nur von sehr erfahrenen Operateuren operiert werden. Dies ist mindestens so wichtig wie der Einsatz moderner Techniken. Anders gesagt: Die modernste Technik bringt nichts in den Händen eines schlechten Operateurs.

Zum Schluss: Welche weiteren technologischen Innovationen sehen Sie am Horizont, die das Feld der Orthopädie in den nächsten Jahren revolutionieren könnten?
PK: Eine eigentliche Revolution wird es wohl nicht geben. Aber die Integration von moderner Navigationstechnik in Verbindung mit Robotik und unter Einbeziehung von künstlicher Intelligenz werden hoffentlich zu einer weiteren Verbesserung der Operationsresultate und damit der Patientenzufriedenheit führen. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass die meisten orthopädischen Operationen bereits heute sehr gute mittel- und langfristige Ergebnisse haben.

Text: Stephan Ziegler

Bild: Daniel Ammann

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