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Handeln, bevor der Engpass zum Infarkt führt

Handeln, bevor der Engpass zum Infarkt führt
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Die 1987 eröffnete Stadtautobahn St.Gallen ist chronisch überlastet, nun sollen eine dritte Tunnelröhre durch den Rosenberg und ein zusätzlicher Autobahnanschluss den absehbaren Verkehrsinfarkt verhindern.

Das Jahr 2037 ist nicht mehr so weit weg. Dann wird es 50 Jahre her sein, dass die A1 als Stadtautobahn durch St.Gallen dem Verkehr übergeben wurde. An sich wäre das ein Grund, um mit einem guten Tropfen anzustossen, grundsätzlich ist das Bauwerk ein Segen für Stadt und Agglomeration. Ein kurzes Gedankenspiel vermag den Wert dieser Verkehrsader zu veranschaulichen – was wäre eigentlich, gäbe es die Stadtautobahn nicht?

Dieses Gedankenspiel könnte 2037 bittere Realität werden, wenn bis dahin keine Massnahmen ergriffen werden. Die beiden zweispurigen Tunnels der A1 durch den Rosenberg müssen nach einem halben Jahrhundert Betrieb gründlich saniert werden. «Mit zwei Röhren und vier Spuren ist eine Instandstellung nicht möglich», hält der St.Galler Kantonsingenieur Marcel John fest. «Die Schliessung einer Tunnelröhre über längere Zeit würde zu einem Verkehrschaos führen, das unerträglich wäre.»

Dritte Röhre für Sanierung

Das Projekt Engpassbeseitigung St.Gallen des Bunds will genau dies verhindern. Das Vorhaben gliedert sich in drei Teile:

  • Die Instandsetzung der Autobahn zwischen dem ehemaligen Rastplatz Moosmüli (unmittelbar westlich des Sitterviadukts) und dem Anschluss St.Gallen Neudorf, wobei zwischen St.Fiden und Neudorf die Pannenstreifen zu einer dritten Fahrspur umgenutzt werden
  • eine dritte Tunnelröhre durch den Rosenberg
  • den Zubringer Güterbahnhof mit Anschluss Liebegg.

Die Instandsetzung mit der Sanierung der bestehenden Tunnelröhren ist zwingend, auch deshalb ist die dritte Röhre für den Bund gesetzt: Sollte sie später nicht zur Entlastung der Stadtautobahn genutzt werden, so ist sie doch während der Sanierung der alten Tunnelröhren als Umfahrung unabdingbar. Theoretisch könnte es also sein, dass eine dritte Tunnelröhre gebaut, für die Sanierung in Betrieb genommen und dann wieder geschlossen wird.

Praktisch käme dies einem Schildbürgerstreich gleich, wenn parallel zum geschlossenen Tunnel die Zahl der Staus und Unfälle weiter steigt. Denn das Bundesamt für Strassen (Astra) stellt nüchtern fest: Bis ins Jahr 2030 werde der neun Kilometer lange Abschnitt von St.Gallen Winkeln bis St.Gallen Neudorf «erheblich überlastet» sein. Auch der St.Galler Kantonsingenieur sieht das ähnlich: «Die Strassengegner haben das Gefühl, das der Mobilitätszuwachs eher kleiner wird, wir gehen von anderen Szenarien aus», sagt Marcel John.

Nach Abschluss aller Etappen der Engpassbeseitigung stünden im Rosenberg drei Fahrspuren Richtung St.Margrethen im neuen Tunnel und vier Fahrspuren in den zwei alten Röhren Richtung Zürich zur Verfügung.

Wirtschaftsportal  TGE Swiss Edition  

«Die Schliessung einer Tunnelröhre über längere Zeit würde zu einem Verkehrschaos führen.»

Rückstau verhindern

Ernsthafte Opposition gegen eine dritte Röhre ist kaum zu vernehmen, linke und grüne Strassenbaugegner fokussieren sich vor allem auf den zusätzlichen Autobahnanschluss im Güterbahnhof. Allerdings geht es auch hier mehr um Ideologie denn um Fakten. Denn die Engpassbeseitigung ist ein ausgeklügeltes Gesamtkunstwerk, aus dem nicht einfach einzelne Teile herausgebrochen werden können.

«Nur die dritte Röhre alleine zu bauen würde nicht viel bringen, weil der Abfluss am Knoten Kreuzbleiche nicht funktionieren würde – was wiederum zu Rückstau auf die Stammstrecke führen würde», erläutert Kantonsingenieur John. «Mit dem Rückstau würde man die ganzen Kapazitäten, die man aufbaut, gleich wieder vernichten.»

Abfluss sicherstellen

Die dritte Röhre könnte also ihre theoretische Leistungsfähigkeit gar nicht abwickeln, weil es zu Stau bei den Anschlüssen käme. «Das ist der Grund, warum der Anschluss Güterbahnhof notwendig ist: Damit man den Abfluss in die Stadt und ins Appenzellerland sicherstellen kann.» Der Verkehr aus dem Appenzellerland von und nach Zürich soll unterirdisch von der Liebegg im Riethüsli über den Kreisel unter dem Güterbahnhof via Tunnel Feldli zu einem Autobahn-Halbanschluss westlich des Anschluss Kreuzbleiche geführt werden.

Dadurch würden Stadtquartiere wie das Riethüsli massiv entlastet. Vor allem aber könnte der häufig hoffnungslos verstopfte Knoten Kreuzbleiche, wo die Schoren-Tunnels den Verkehr von der A1 ins städtische Netz einfliessen lassen, wieder vernünftig funktionieren. Somit könnten auch die vielen Busse des Öffentlichen Verkehrs, die sich auf dem gleichen Strassenraum einen Weg durch die querenden Autos pflügen müssen, ungehindert fahren.

Der Zubringer Güterbahnhof soll den Knoten Kreuzbleiche entlasten.
Der Zubringer Güterbahnhof soll den Knoten Kreuzbleiche entlasten.

Ein Milliardenprojekt

Die Kosten für die dritte Röhre, die Instandsetzung der Autobahn in diesem Abschnitt und den Anschluss Güterbahnhof belaufen sich auf etwa 1,3 Milliarden Franken. Der Bund hat sich in der Botschaft zum Strategisches Entwicklungsprogramm (STEP) verpflichtet, seinen Teil beizusteuern. «Für die Engpassbeseitigung St.Gallen hat der Bund eine sehr grosse Beteiligung in Aussicht gestellt,» sagt Marcel John, «nicht nur für Nationalstrassen-Teil, sondern auch für wesentliche Teile des Zubringers.»

Der Bund wird auch den unterirdischen Autobahnzubringer zu einem beträchtlichen Teil finanzieren, nämlich den Tunnel Feldli ab der A1 bis unter den Güterbahnhof und den dortigen unterirdischen Kreisel. Ab diesem Kreisel gibt es eine Ausfahrt auf die St. Leonhardsbrücke, eine Ausfahrt im Westen des Güterbahnhofs in die Oberstrasse, und vor allem den weiterführenden Liebegg-Tunnel Richtung Appenzellerland, der unter dem Quartier Riethüsli hindurch zur Kantonsgrenze St.Gallen–Appenzell Ausserrhoden führen wird. Dafür verbleiben für die Kantone St.Gallen und Appenzell Ausserrhoden, die Stadt St.Gallen und die Gemeinde Teufen etwa 150 bis 200 Millionen Franken, angesichts der Grösse des Projekts und des überragenden Nutzens für die Region ein sehr überschaubarer Betrag. Der Löwenanteil davon wird auf den Kanton St.Gallen entfallen.

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Standortgemeinde hat Anhörungsrecht

Nachdem der Bund sich klar zur Realisierung der Engpassbeseitigung geäussert hat, liegt es nun am Kanton St.Gallen, den nächsten Schritt zu machen. Die Standortgemeinde, also die Stadt St.Gallen, hat gemäss Strassengesetz ein Anhörungsrecht. Das Kantonsparlament könnte eine Projektgenehmigung zwar auch dann erteilen, wenn die Stadt sich negativ äussern sollte, «ob das Parlament das auch machen würde, ist eine andere Frage», sagt Marcel John. Wie eine städtische Meinungsäusserung manifest werden könnte, ist offen. Die grundsätzliche Haltung des Kantonsparlaments ist aber klar, 2018 sagte es mit 87 zu 14 Stimmen Ja zum Beschluss, die Projektierungsarbeiten der Kantonsstrassenabschnitte im Bereich der Engpassbeseitigung St.Gallen mit Güterbahnhof und Tunnel Liebegg mit hoher Dringlichkeit zu bearbeiten.

Allerdings könnte man auch davon ausgehen, dass die Stadt einem solchen Projekt positiv gegenüber steht, sie hat sich nämlich schon einmal klar dazu geäussert: 2016 wollte eine SP-Initiative explizit einen Autobahnanschluss im Güterbahnhof verhindern. Das Begehren wurde an der Urne mit 17 270 Nein gegen 10 092 Ja deutlich zurückgewiesen, über 63 Prozent der Stimmenden wollten die Planung nicht auf Vorrat abbrechen.

Text: Philipp Landmark

Bild: Gian Kaufmann

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