Medienlandschaft Ostschweiz

Turnaround für «Die Ostschweiz»

Turnaround für «Die Ostschweiz»
Lesezeit: 4 Minuten

Galledia ist 2022 mit einer Minderheitsbeteiligung beim Portal Die Ostschweiz eingestiegen; seit 2023 hat das Unternehmen die Mehrheit an der Nachrichtenplattform.

Bereits 2018, als die Plattform Die Ostschweiz gerade gestartet war, gab es ein erstes Gespräch zwischen dem neuen Galledia-CEO Daniel Ettlinger und Marcel Baumgartner, einem der Gründer des Portals. Eine geschäftliche Verbindung entstand daraus aber nicht. «Damals passte das noch nicht», sagt Daniel Ettlinger.

Klicks aus dem Schwurbler-Milieu

Das Portal Die Ostschweiz wurde anfänglich von den beiden Gründern Marcel Baumgartner und Stefan Millius geleitet. Inhalt wurde vor allem über eine inflationäre Anzahl Gastautoren generiert; auch alle Ungehörten konnten sich hier verwirklichen. Während der Pandemie positionierte sich Die Ostschweiz dann zunehmend als Plattform von Coronaskeptikern und Echokammer von Verschwörungstheoretikern. Das brachte dem Portal Aufmerksamkeit und Klicks, allerdings nicht unbedingt in der Ostschweiz, sondern im Schwurbler-Milieu im ganzen deutschsprachigen Raum.

Aufgrund dieser extremen Positionierung konnte man sich im Galledia-Verwaltungsrat lange nicht vorstellen, sich an der Plattform zu beteiligen. Als dann Galledia schliesslich doch beim Portal einstieg, war Stefan Millius, der für diesen Kurs verantwortlich war, schon ausgestiegen.

Auch eine zweite Bedingung musste stimmen: «Als wir 2022 erneut die Beteiligung bei Die Ostschweiz mit dem Verwaltungsrat diskutierten, legten wir fest, dass es eine Option auf eine Mehrheitsbeteiligung geben muss», sagt Daniel Ettlinger. «Das haben wir nun früher realisiert als es ursprünglich geplant war.» Ohne diese Option wäre das Portal für Galledia kaum interessant gewesen: «Wenn wir irgendwo einsteigen und das Produkt weiterentwickeln, dann wollen wir mittelfristig auch eine Mehrheitsbeteiligung, sonst ergibt es für uns wenig Sinn.»

«Eine Reputation kann man jahrelang aufbauen, aber rasch zerstören.»

Reputation zurückgewinnen

Martin Oswald ist seit einem guten Jahr Leiter Regionalmedien und Mitglied der Geschäftsleitung von Galledia. Zuvor hat er bei CH Media und bei SRF digitale Innovationsprojekte verantwortet. Er hat rasch erkannt, dass die toxische Positionierung aus der Coronazeit für die neuen Besitzer eine Hypothek ist. «Das erledigt man nicht in wenigen Tagen», ist er sich bewusst. «Eine Reputation kann man jahrelang aufbauen, aber rasch zerstören. Darum haben wir schon einen Moment gebraucht, bis die Türen wieder aufgegangen sind.»

Nach der Übernahme 2023 haben die Verantwortlichen von Galledia unzählige Gespräche geführt, um diese Türen wieder zu öffnen. «Wir haben deutlich gemacht, dass eine neue Zeit angebrochen ist und wir keine Absicht haben, in der extremistischen Positionierung zu verharren», betont Oswald. Nicht nur bei Ostschweizer Lesern hätte die Plattform die Sympathien verspielt, auch auf dem Werbemarkt hätten viele potenzielle Kunden gesagt: «Mit Euch? Keine Chance.» Auch verschiedene politische Parteien wollten mit dem Portal nichts zu tun haben.

Inzwischen ist der Kurswechsel wahrgenommen worden. «Die Vergangenheit schwingt noch ein wenig mit, aber wir spüren: Es wird weniger», sagt Martin Oswald. «Das Portal verfolgt inzwischen einen klaren journalistischen Approach, die Neupositionierung ist gelungen.» Der Verwaltungsratspräsident der Galledia, Urs Schneider, hat kürzlich in einem Interview mit dem Magazin «Saiten» einen Ausbau der Redaktion des Portals angekündigt. Daniel Ettlinger und Martin Oswald bremsen aber Erwartungen an einen allzu forschen Ausbau. «Selbstverständlich wollen wir wachsen», sagt Oswald, «das muss aber im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten geschehen.» Das Wachstum von Die Ostschweiz werde seine Zeit brauchen. «Wir können nicht für das Portal plötzlich ein Drei-Millionen-Budget bereitstellen; das wäre ausserhalb unserer Möglichkeiten», betont Ettlinger. Noch habe Die Ostschweiz für Galledia einen gewissen Start-up-Charakter; auch wenn es die Plattform nun im sechsten Jahr gibt, fände die Geschäftsmodell-Entwicklung noch statt. «Wir probieren da noch einiges aus – auch, was die Positionierung angeht», erklärt Martin Oswald.

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«Wenn wir einsteigen und das Produkt weiterentwickeln, dann wollen wir auch eine Mehrheitsbeteiligung.»

Magazin als Ergänzung

Mit einem reinen Online-Portal genügend digitale Werbung zu generieren, um eine Redaktion zu finanzieren, sei «sehr schwierig», betont Daniel Ettlinger. Deshalb findet Die Ostschweiz auch analog statt und erscheint sechsmal pro Jahr als gedrucktes Magazin. Ein gut gemachtes, journalistisch interessantes Produkt sei nicht nur für den Lesermarkt interessant: «Mit Blick auf den Werbemarkt ist das eine entscheidende Ergänzung», sagt Oswald. 

Inzwischen wurde die Plattform ins Unternehmen integriert: «Wir haben die Vorproduktion zu uns geholt, wir drucken das Magazin bei uns, wir haben die Abo-Verwaltungs-Software inhouse. Wir haben keine Kosten für externe Partner, wir können alles innerhalb Galledia lösen», so Oswald. Aktuell ist eine dreiköpfige Redaktion für die Inhalte der Plattform zuständig; «um jeden Tag eine relevante und eigenständige Geschichte zu haben, die auffällt, müsste die Redaktion vielleicht acht Stellen umfassen», schätzt Verlagsleiter Oswald. «Dazu würde ich nicht nein sagen, wenn es sich finanzieren liesse.»

Mit dem jetzigen und dem absehbaren Personalbestand werde Die Ostschweiz nie das schnellste News-Portal der Ostschweiz sein. «Eigentlich sind wir kein News-Portal, dieses Spiel würden wir mit Blick auf unsere Ressourcen immer verlieren», meint Martin Oswald. «Wir müssen uns durch einen hintergründigen, meinungsstarken Journalismus unsere Daseinsberechtigung erkämpfen.»

Die Ostschweiz soll nicht unbedingt den einfachsten und damit schnellsten Ansatz für eine Geschichte wählen, «wir wollen nicht das Gleiche, das andere schon ins Netz gestellt haben, reproduzieren», erklärt Oswald. Also brauche es einen anderen Blickwinkel, die Redaktion müsse andere Fragen stellen. «Das ist unser Anspruch, und es ist nicht leicht, den jeden Tag einzulösen.» Doch in ein paar Jahren möchte Die Ostschweiz als Konkurrenz und ernstzunehmendes alternatives Angebot wahrgenommen werden.

Text: Philipp Landmark

Bild: zVg, Archiv Reto Voneschen

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