Publizistisch hat Aarau das Sagen
Vermutlich fängt die Geschichte von CH Media aus Ostschweizer Sicht 1991 an. Dann nämlich übernahm die NZZ eine Mehrheitsbeteiligung von 60 Prozent an der Freien Presse Holding, die ihrerseits 60 Prozent an der Zollikofer AG und damit am St.Galler Tagblatt hielt. Auch wenn in der Ostschweiz noch lange ein von Ostschweizern dominierter Verwaltungsrat und eine eigene Geschäftsleitung das Medienhaus lenkten: Das Schicksal der wichtigsten Ostschweizer Medien wurde in entscheidenden Fragen nicht mehr in der Ostschweiz bestimmt.
2014 konnte die AG für die Neue Zürcher Zeitung das letzte Viertel der Freien Presse Holding übernehmen, das inzwischen der Publigroupe gehörte. Damit bestimmte die NZZ fast vollständig über die St.Galler Tagblatt AG und die LZ Medien Holding AG mit der Neuen Luzerner Zeitung. Die wenigen verbliebenen Kleinaktionäre dienten vorwiegend der lokalen Verankerung. Anlässlich dieser Übernahme wurde betont, dies sei ein klares Bekenntnis der NZZ zur Regionalmedienstrategie. Diese sah freilich auch vor, zwischen den ähnlich aufgestellten Medienhäusern in Luzern und St.Gallen Synergien zu nutzen. Was dann auch geschah: Ende 2014 wurde die Position vom Ostschweizer CEO Daniel Ehrat kurzerhand gestrichen; sein Luzerner Pendant Jürg Weber führte in der Folge nebenher auch die Tagblatt-Medien. 2016 unterstellte die NZZ sämtliche Regionalzeitungen einem gemeinsamen publizistischen Leiter, der die überregionalen Redaktionen zusammenführen sollte. Damit verlor das Tagblatt die publizistische Hoheit über den nicht regionalen Inhalt.
Familie Wanner übernimmt
2018 dann brachte die NZZ ihre Regionalmedien in ein 50:50-Joint Venture mit den AZ Medien ein. Inzwischen hält die Aargauer Verlegerfamilie Wanner 65 Prozent der Anteile; die NZZ hat sich auf eine Minderheitsbeteiligung zurückgezogen. CH Media machte mit seinen 80 Marken zuletzt 445 Millionen Franken Umsatz, was deutlich mehr ist als der Partner NZZ, der noch 250 Millionen ausweist. Ringier mit gut einer Milliarde Franken Umsatz und die TX Group etwas dahinter sind die grössten Schweizer Medienhäuser.
Sämtliche 17 CH-Media-Regionalzeitungen von Basel bis Wattwil erscheinen nun in einem gemeinsamen Kopfblattsystem mit einem überregionalen Teil, der in Aarau zusammengestellt wird. Die Mantelinhalte werden zudem an weitere Blätter anderer Verlage verkauft. Am Samstag erscheinen die Titel als «Schweiz am Wochenende», die mit nicht ganz 400´000 Exemplaren eine Million Leser erreicht. Die Online-Portale der beteiligten Zeitungstitel sind ebenfalls zusammengeschlossen; sie pflegen auch einen Austausch mit dem Gratis-Portal Watson, das inzwischen von der Familie Wanner in CH Media eingebracht wurde, und weiteren Plattformen wie etwa FM1today in der Ostschweiz.
14 Fernsehsender unter einem Dach
Zum CH Media Verbund gehören auch 14 Fernsehsender, darunter neben dem nicht konzessionierten Tele Züri die konzessionierten Regionalfernsehsender Tele Bärn, Tele M1, Tele1 und TVO aus der Ostschweiz. Die Sender werden gemeinsam gemanagt, teilen überregionale Inhalte und werden auch als Marken von CH Media ausgewiesen.
Nur wenn es um juristische Spitzfindigkeiten geht, legen die Verantwortlichen Wert darauf, dass beispielsweise TVO AG eine Tochtergesellschaft der NZZ Regionalmedien AG und Teil des Unternehmens NZZ ist. Schliesslich darf kein Medienhaus mehr als zwei Konzessionen für Regionalfernsehsender halten, die Anspruch auf Gelder aus dem Serafe-Topf haben. Das Bundesamt für Kommunikation stösst sich nicht an der Lesart von CH Media und NZZ; jedenfalls erhielt TVO gerade eine neue Konzession für die nächsten zehn Jahre. Herausforderer Galledia hatte mit seinem konkurrierenden TV-Projekt das Nachsehen (siehe separaten Artikel). Maximal zwei Konzessionen in einer Hand würde auch für Lokalradios gelten. CH Media führt total zwölf Sender, darunter das Ostschweizer Radio FM1, das allerdings wie auch Radio Argovia oder Radio Pilatus seit 2018 auf eine Konzession verzichtet und daher keinen Leistungsauftrag erfüllen muss.
Sparprogramm traf alle
Vor allem der Zukauf der Trash-TV-Sender-Gruppe 3+ («Bachelor», «Bauer, ledig, sucht») liess den Eindruck entstehen, dass CH Media um jeden Preis wachsen will und sich zu einem Entertainment-Konzern wandle. Die Medienstelle von CH Media hält entgegen, dass die Strategie des Konzerns mit digitaler Transformation im Bereich Publishing und dem Ausbau im Bereich Unterhaltung nach wie vor richtig sei. CH Media habe als einziges Unternehmen in den vergangenen Jahren in den Ausbau des journalistischen Angebots investiert. Das kürzlich durchgezogene Sparprogramm, bei dem 140 Stellen abgebaut wurden, habe alle Unternehmensteile gleichermassen getroffen, wie die Medienstelle betont. Ausgenommen wurden die IT und Leute in Ausbildung.
Text: Philipp Landmark
Bild: Screenshot