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Im Appenzellerland haben mehr Frauen das Sagen

Im Appenzellerland haben mehr Frauen das Sagen
Lydia Wenger
Lesezeit: 5 Minuten

In der Schweiz liegt die Frauenquote im Management bei rund 28,5 Prozent. Der Kanton Appenzell Innerrhoden toppt diesen Wert mit 31,2 Prozent bei Weitem, wie eine aktuelle Studie der Crif AG aufzeigt. Doch auch Ausserrhoden liegt mit Platz fünf (29,8 Prozent) in den Top Ten. Lydia Wenger, Leiterin der Abteilung Chancengleichheit des Ausserrhoder Amt für Soziales, skizziert, woran das liegen könnte.

Lydia Wenger, beide Halbkantone liegen bei der Frauenquote im Management in den schweizweiten Top 5. Was sind die Gründe?
Dass Appenzell Inner- und Ausserrhoden im Schweizer Vergleich ganz oben dabei sind, ist natürlich eine gute Nachricht. Insbesondere die positive Entwicklung der Anzahl Frauen in Führungspositionen in den vergangenen Jahren ist hervorzuheben. Über die Gründe kann ich jedoch nur spekulieren.

Ich bitte darum.
Laut der Crif-Studie sind die Branchen mit den höchsten Frauenquoten das Veterinär- und Sozialwesen. Appenzell Ausserrhoden hat viele soziale Institutionen, das könnte zur guten Vertretung beitragen. Zudem hat in den letzten Jahren nicht nur in Appenzell ein öffentlicher Diskurs zum Thema stattgefunden. Unternehmen sind heute sensibilisierter, was sich auch auf den Bewerbungsprozess auswirkt. Denn schon bei der Ausschreibung der Stelle entscheidet sich, ob sich eine Person bewirbt oder nicht.

Anders sieht es bei den Verwaltungsräten aus: Hier liegen Inner- und Ausserrhoden auf den Plätzen 11 (24,7 Prozent, AR) und 25 (21,4 Prozent, AI). Warum sind es so wenige?
Dieses Bild zeigt sich in der gesamten Schweiz. Appenzell Ausserrhoden bildet dabei keine Ausnahme und liegt genau im Schweizer Durchschnitt. Dass nur rund ein Viertel der Mandate von Frauen belegt sind, ist daher wohl nicht auf kantonale Gegebenheiten zurückzuführen, sondern hat strukturelle Gründe. Verwaltungsräte werden oft im Berufungsverfahren bestellt. Wenn die Gremien hauptsächlich aus Männern bestehen, ziehen diese oft wieder ihnen bekannte Männer nach.

«Entgegen landläufiger Meinung bedeutet eine Quote nicht, dass unqualifizierte Personen eingestellt werden müssen.»

Generell gesehen: Wie sehen Sie die Vertretung von Frauen im Management/Kader im Appenzellerland?
Grundsätzlich ist es erfreulich, dass Appenzell Ausserrhoden auf Platz fünf und Innerrhoden gar auf Platz eins liegt. Diese Zahlen zeigen, dass es vorwärtsgeht. Spannend wäre zudem eine Untersuchung, wie hoch der Frauenanteil bei den CEOs in beiden Appenzell ist. Denn die Erfahrung zeigt, dass hier Frauen weiterhin die Ausnahme sind.

Dass nur eines von vier Verwaltungsratsmandaten von einer Frau belegt wird, ist enttäuschend, oder?
Absolut! Der Richtwert für einen Frauenanteil von 20 Prozent in der Geschäftsleitung und 30 Prozent in den Verwaltungsräten von grossen börsenkonnotierten Unternehmen wurde bereits 2020 vom Parlament verabschiedet. Ab 2026 müssen Unternehmen Rechenschaft ablegen. Auch wenn dieser Richtwert nicht alle Unternehmen der Crif-Studie betrifft, gibt er doch eine wichtige Stossrichtung vor. 

Was müsste im Appenzellerland geschehen, dass mehr Frauen ins Management bzw. in die Verwaltungsräte berufen werden?
Die gesellschaftlichen Strukturen und unternehmerischen Rahmenbedingungen sollten sich ändern. Es bestehen – nicht nur im Appenzellerland – weiterhin stereotype Rollenbilder, etwa in welchem Pensum eine Frau oder ein Mann arbeitet sowie welche Rolle sie oder er in der Familie übernimmt. Berufstätige Mütter sehen sich mit diversen Hürden konfrontiert. Kinderbetreuung und deren Organisation bleibt trotz Berufstätigkeit von beiden Eltern oft an der Mutter hängen.

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Und auf der unternehmerischen Ebene?
Hier müssen Frauen so gefördert und gestärkt werden, dass Führungspositionen möglich werden. Frauenförderung darf aber nicht erst auf der Management-Ebene beginnen, sondern schon im unteren und mittleren Kader. In den meisten Branchen nimmt der Frauenanteil nämlich ab, je höher es in der Hierarchie geht. Da viele Mütter Teilzeit arbeiten, müssen Führungsaufgaben im Jobsharing ermöglicht werden. Und zuletzt sollten auch die Verwaltungsräte divers zusammengesetzt werden und eine Art Vorbildfunktion einnehmen. Dies hat den positiven Nebeneffekt, dass sich mehr Mitarbeitende mit dem Unternehmen identifizieren können.

Wo sehen Sie hierbei die grössten Hürden?
Eine der grössten Hürden, die aber überwindbar ist, stellt für mich die Nachwuchsförderung auf allen Ebenen dar. Der «Gender Intelligence Report» der Universität St.Gallen zeigt auf, dass Männer im Alter zwischen 31 und 40 Jahren von einem Karrierebeschleuniger profitieren, während Frauen im gleichen Alter einen Karriereknicks erleben. In der Zeit der Familiengründung werden Männer wesentlich häufiger befördert (26 Prozent) als Frauen (17 Prozent). Gemäss dieser Studie holen Frauen diesen Vorsprung im Verlaufe des Berufslebens nicht mehr auf, sondern der Unterschied vergrössert sich sogar noch weiter. Im Alter zwischen 41 und 50 Jahren werden Männer im Vergleich zu den Frauen sogar doppelt so häufig befördert. Nachwuchsförderung ist insbesondere in männerdominierten Branchen wichtig, um qualifizierte Frauen in Führungspositionen zu bringen.

Und wie könnten diese Hürden abgebaut werden?
Zur Förderung der Vereinbarkeit gibt es auf Ebene Unternehmen die bekannten Massnahmen: Teilzeitarbeit ermöglichen, flexible Arbeitsformen und Jobsharing fördern. Zudem muss auf die Qualifikation und Leistung der Frauen vertraut werden. In der Schweiz leben sehr viele hochqualifizierte Frauen, die prädestiniert sind für Führungsaufgaben. Viel zu oft wird Frauen attestiert, dass Kind und Karriere gleichzeitig nicht möglich sind. Männer müssen sich hingegen dazu nicht rechtfertigen. Nötig sind noch mehr Unternehmen, die mit gutem Beispiel vorangehen.

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«Nachwuchsförderung ist insbesondere in männerdominierten Branchen wichtig, um qualifizierte Frauen in Führungspositionen zu bringen.»

Die Geschichte der Frauenbewegung zeigt uns, dass ohne gesetzliche Regelungen trotz grosser Zustimmung aus der Bevölkerung wenig passiert. Sind Sie für oder gegen eine Frauenquote seitens des Gesetzgebers?
Dafür. Denn auch wenn die Frauenquote im Management langsam ansteigt und bestimmte Grundlagen erarbeitet wurden, liegt noch ein weiter Weg vor uns, bis mehr Frauen in Führungspositionen sind. Entgegen landläufiger Meinung bedeutet eine Quote nicht, dass unqualifizierte Personen eingestellt werden müssen. Es gibt genügend hochqualifizierte weibliche Fachpersonen, die sich für eine Tätigkeit im Management oder im Verwaltungsrat eignen.

Was kann die Politik sonst noch unternehmen, um die Situation zu verbessern?
Einerseits könnten weiterführende gesetzgeberische Verpflichtungen eingeführt werden, etwa durch die Erweiterung des erwähnten Richtwertes zum Frauenanteil. Zudem werden zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf genügend und bezahlbare Kinderbetreuungsplätze benötigt. Appenzell Ausserrhoden hat mit dem neuen Kinderbetreuungsgesetz, das seit letztem Jahr in Kraft ist und gemeinsam mit den Gemeinden die Kinderbetreuung subventioniert, einen ersten Schritt gemacht.

Zum Schluss: Sehen Sie Appenzeller Unternehmen generell eher als frauenfördernd oder eher als hindernd an?
Unsere Erfahrung zeigt, dass seitens der Ausserrhoder Unternehmen grundsätzlich Interesse da ist, ihre Unternehmenskultur entsprechend zu entwickeln. Im Rahmen der Kampagne zu unserem Projekt gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz KMUkonkret+ gingen beispielsweise verschiedene Anfragen von Unternehmen zur Förderung der Diversität ein. Zudem haben sich rund 31 Unternehmen am bis 2015 bestehenden Projekt PlusPlusAR beteiligt, das die Vereinbarkeit von Familie und Beruf förderte. Diese Beteiligung ist ein gutes Zeichen – darauf gilt es aufzubauen.

Text: Stephan Ziegler

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

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