Schutz für Wild- und Nutztiere

«Um das revidierte Jagdgesetz ist ein heftiger Abstimmungskampf entbrannt, der auf den ersten Blick verwirrlich ist. Das liegt an der gegnerischen Kampagne, die den Eindruck erweckt, als werde der Schutz der Wildtiere reduziert. Dies ist jedoch nicht der Fall, im Gegenteil. So schreibt der Bundesrat auf S.37 des Abstimmungsbüchleins: «Die Schweiz will die Artenvielfalt stärken. Das revidierte Jagdgesetz leistet dazu einen wichtigen Beitrag: Es schützt mehr Wildtierarten, und es schützt sie besser als bisher.»
Kernstreitpunkt ist die Regulierung der geschützten Wildtiere, also die Bestimmungen, wann und unter welchen Voraussetzungen deren Bestand reduziert werden darf. Davon nicht betroffen ist der Schutz der Wildtiere, dieser bleibt selbstverständlich integral erhalten. Besonderes umstritten ist die Regulierung des angewachsenen Wolfsbestandes, wo die Kantone im föderalistischen Sinn mehr Kompetenzen erhalten, sich jedoch an die strengen Vorgaben des Bundes halten müssen.
Dieser Punkt ist gerade für die Bäuerinnen und Bauern besonders wichtig, denn die Land- und Alpwirtschaft ist im besonderen Masse durch die Rückkehr von Grossraubtieren betroffen. Die Bestände geschützter Arten, insbesondere des Wolfes, haben sich in den letzten Jahren stark vermehrt. Der Wolfsbestand wächst stetig an: 2019 lebten rund 80 Wölfe in der Schweiz, und immer mehr Rudel in immer mehr Gebieten bilden sich. In diesem Jahr setzt sich die Ausdehnung stark fort. 2018 wurden 591 Nutztiere von Grossraubtieren gerissen, darunter auch solche, die mit Hunden und Zäunen geschützt waren. Auch Schafe, Ziegen und Kälber sind Tiere, die geschützt werden müssen. Es braucht also eine Regelung, welche dem Schutz von Wild- und Nutztieren gleichermassen Rechnung trägt.
Nach geltendem Gesetz ist ein Abschuss erst möglich, wenn ein Wolf innerhalb eines Monats 25 oder innerhalb von vier Monaten 35 Nutztiere reisst. Das verursacht grosser Leiden bei den betroffenen Tieren. Für die Besitzer bedeutet dies nicht nur einen finanziellen Schaden, noch bedeutender ist die emotionale Betroffenheit. Die aktuelle Situation führt dazu, dass die Alpwirtschaft gefährdet ist. Bereits wurden zum Beispiel im Wallis 10'000 Schafe weniger gesömmert als noch vor wenigen Jahren, und die Beispiele von nicht mehr bestossenen Alpen oder deren vorzeitige Entleerung häufen sich landesweit. Auch weil Arbeitslast und Kosten für den Herdenschutz zu hoch werden. Die fehlende Pflege der Alpen hat eine Vergandung, zunehmende Erosionsgefahren und auch eine empfindliche Einschränkung des Wanderwegnetzes zur Folge. Somit ist auch der in Covid-Zeiten noch wichtigere Sommer-Tourismus im Inland negativ betroffen.
Die Schweizer Bäuerinnen und Bauern messen dem Tierwohl eine grosse Bedeutung zu. Sie pflegen eine starke Beziehung zu ihren Tieren. Es ist ihr legitimes Interesse, dass sie ihre Tiere schützen wollen. Sie verlangen deshalb eine wirksame Regulierung, damit sich die Schäden und das Leid für die Nutztiere in Grenzen halten. Das sind keine Maximalforderungen, denn auch die Landwirtschaft ist bereit, ihren Beitrag für den Schutz der Wildtiere zu leisten. Aber gleichzeitig soll auch der Schutz der Nutztiere angemessen berücksichtigt werden.
Das revidierte Jagdgesetz ist ein guter Kompromiss, weil dem Schutz von Wild- und Nutztieren gleichzeitig und ausgewogen Rechnung getragen wird. Das revidierte Jagdgesetz ist in diesem Sinne ein Wildtier-Nutztier-Schutz-Gesetz und keineswegs ein Abschussgesetz, wie es die Gegner einseitig bezeichnen. Das Gesetz ebnet den Weg für ein geregeltes Nebeneinander von Bevölkerung, Landwirtschaft und Grossraubtieren. Es stellt eine vernünftige Lösung dar, der unsere volle Unterstützung verdient.»
Dr. Jakob Stark, Ständerat, Buhwil