«Mittel- bis langfristig ist eine vorhandene Ladeinfrastruktur aus Vermietersicht ein Vorteil»
Text: Markus Fässler, Bilder: Simplee AG
Roman Schwarz, der technologische Fortschritt auf dem Gebiet der Elektrofahrzeuge schreitet rasant voran. Lohnt es sich für Liegenschaftsbesitzer, bereits jetzt eine Grundinstallation zu tätigen?
Momentan noch nicht. Sobald Anfragen von der Mieterseite eintreffen, sollte man jedoch zeitnah reagieren und die Installation vornehmen. Sinnvoll ist auch immer eine Umfrage bei der Mieterschaft, um deren Pläne bezüglich Anschaffung eines Elektroautos in den kommenden Jahren zu eruieren. Und Der Anteil an reinen Elektrofahrzeugen bei Neuwagen wird bis zum europäischen Verbot der Verbrennerfahrzeuge im Jahr 2035 bei nahezu 100 Prozent liegen. Mittel- bis langfristig wird es somit aus Vermietersicht ein Vorteil sein, wenn eine Ladeinfrastruktur vorhanden ist.
Müssen Eigentümer von Liegenschaften der Mieterschaft Ladestationen zur Verfügung stellen?
Nein, derzeit gibt es für die Eigentümerschaft noch keine solche Verpflichtung.
Kommt es zu einer Installation: Welches ist das beste Vorgehen für Eigentümer?
Idealerweise wird der Kontakt zum Hauselektriker gesucht. Dieser kennt sich mit den Gegebenheiten vor Ort aus. Sofern er die Installation nicht selber durchführt, kann er an den richtigen Installateur verweisen. Danach folgt das Bestimmen der Anzahl Ladestationen, eine Bestandesaufnahme der aktuellen und notwendigen Stromabsicherung sowie die Wahl des geeigneten Abrechnungssystems. Auf Basis all dieser Informationen erstellt der Elektroinstallateur eine Offerte.
Lohnt es sich, eine Zweitofferte einzuholen?
Das schadet grundsätzlich nie. Bei Unklarheiten oder Unsicherheiten lohnt es sich, vorgängig eine Beratung einzuholen. Im Kanton Thurgau gibt es diese zum Beispiel kostenlos vom e-team (www.eteam-tg.ch).
Wie hoch sind die Installationskosten?
In der Regel wird in einem ersten Schritt die Grundinfrastruktur erstellt. Sie umfasst die Absicherung, das Kabel zu allen Parkplätzen inklusive Grundplatte für eine künftige Ladestation und ein Lastmanagement. So lassen sich langfristig alle Stellplätze mit einer Ladestation ausrüsten. Bei der Installation in einer Tiefgarage mit etwa 20 Stellplätzen muss man mit rund 1000 Franken pro Parkplatz rechnen, der Kanton Thurgau subventioniert einen solchen Ausbau mit 25 Prozent. Für Ladestation und Integration ins Abrechnungssystem fallen dann nochmals Kosten in der Höhe von etwa 2000 Franken pro Abstellplatz an. Ladestationen weisen eine Lebensdauer von ca. 10 Jahren auf.
Wie lassen sich die Investitionen am besten decken?
Da die Installation der Grundinfrastruktur inklusive Lastmanagement eine Mehrleistung darstellt, ist die Amortisation über eine Mietzinserhöhung möglich. Die einzelnen Ladestationen werden in der Regel über eine Erhöhung der Parkplatzgebühr respektive eine monatliche Mietgebühr finanziert. Üblicherweise lassen sich monatliche Beträge von 35 Franken bis 40 Franken auf die Mieterschaft abwälzen. Zudem besteht die Möglichkeit, die Installation und den Betrieb über einen externen Anbieter mit einem Vertragsmodell realisieren und finanzieren zu lassen.
Als Wohnungsmieter könnte man auch eine Ladestation kaufen statt mieten. Lohnt sich das?
In der Regel ist die Miete die einfachere und bessere Lösung für Mieterschaft und Vermieter. Bei einem Eigenkauf wird der Vermieter ohnehin Vorgaben zu den möglichen Typen machen. Zudem muss man bei einer Miete die Ladestation beim Auszug nicht demontieren oder an den Nachmieter übergeben.
Bei der Installation hat man die Auswahl zwischen Einzel- und Mehrplatzanlagen. Welche Option ist vorzuziehen?
Mehrplatzanlagen eignen sich nur, wenn einer Wohnung mehrere Parkplätze zugeordnet sind. Bei unterschiedlichen Parteien mit einer gemeinsamen Ladestation kann es zu Konflikten kommen. Zum Beispiel, wenn Parkplätze längerfristig unnötig besetzt werden.
Konfliktpotenzial bietet auch der Stromverbrauch. Wie lässt sich dieser pro Platz respektive Auto fair messen?
Die Ladestationen verfügen über einen internen Stromzähler und messen so den Stromverbrauch. Die Daten gelangen über eine Kommunikationsverbindung zu einer zentralen Abrechnungssoftware, über die der exakte Energieverbrauch pro Ladestationsnutzer abgerechnet wird.
Lassen sich E-Ladestationen problemlos ins ZEV (Zusammenschluss zum Eigenverbrauch) integrieren?
Ja, das ist mit den heute verbauten Abrechnungslösungen grundsätzlich möglich und auch sinnvoll für Vermieter und Mieter.
Ein Elektroauto erhöht den Stromverbrauch innerhalb einer Liegenschaft. Welche Optionen gibt es, um Energie zu sparen?
Wenn das Gebäude zum Beispiel mit einer PV-Anlage selbst Strom erzeugt, kann man das Elektroauto tagsüber direkt mit Solarstrom «betanken». Aus Eigentümersicht wirkt sich dies positiv auf die Wirtschaftlichkeit der PV-Anlage aus. Der Elektroautobesitzer profitiert von tieferen Energiekosten.
Stichwort bidirektionales Laden: Welches sind die Unterschiede zu den herkömmlichen Ladegeräten?
Mit den normalen Ladestationen lässt sich Energie nur ins Elektroauto tanken. Bei der bidirektionalen Option besteht die Möglichkeit, Strom wieder ans Gebäude abzugeben. So wird das Elektrofahrzeug zum Batteriespeicher.
Wie verhält es sich mit den Kosten für bidirektionale Ladestationen?
Sie sind heute noch deutlich teurer als normale Ladestationen – die Mehrkosten belaufen sich auf rund 10'000 Franken. Dafür kann man auf einen stationären Batteriespeicher im Gebäude verzichten, der üblicherweise Kosten in einer ähnlichen Höhe aufweist.
Zum Schluss: Was sollte man im Kontext des Themas E-Mobilität bei Stockwerkeigentum beachten?
Die Eigentümer sollten keine individuellen Lösungen verbauen. Ein übergeordnetes Lastmanagement wird bereits ab wenigen Ladestationen benötigt. Dieses stellt sicher, dass der Stromverbrauch der Gesamtliegenschaft nicht die zulässige Absicherung überschreitet. Es braucht also ein gemeinsames Vorgehen, damit sich eine gute Lösung für alle Eigentümer realisieren lässt.