Der letzte Flug des Ex-Edelweiss-CEOs

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Am 13. April landete ein Airbus der Edelweiss Air von den Malediven in Zürich. Es war der letzte Flug des Captains und Ex-CEOs Karl «Charly» Kistler. Langeweile wird er künftig aber nicht kennen: Der Thurgauer hat sich einen Hubschrauber gebaut.

Die Fliegerei hat Karl «Charly» Kistler schon als Kind begeistert. Mit dem Modellflugzeugbau ist er in seinen Aufgaben schnell gewachsen. Er lernte Elektroniker und fand Freude am Fallschirmspringen. «Körperliche und psychische Herausforderungen haben mich immer fasziniert. Meinen Erstabsprung absolvierte ich in Ecuvillens, danach begann ich 1972 in Losone die Fliegerische Vorschulung (FVS, heute Sphair) zum Fallschirmgrenadier. Diese anspruchsvolle Ausbildung entpuppte sich für mich als erste Kaderschule», erzählt Kistler, der in Au TG aufgewachsen ist.

Topleistung statt Durchschnitt

Kistler lernte, dass im Leben nur gute Leistungen zählen, durchschnittliche Ergebnisse befriedigten ihn nicht. «Teamarbeit ist mehr wert als das Einzelkämpfertum. Disziplin und Verantwortung trugen ihren Teil zum Erfolg bei.» Militärische Gruppenabsprünge oder Überlebenswochen kommen ihm dabei in den Sinn. Erfolge machten ihn glücklich und zufrieden, diese Einstellung und Erfahrung gab er stets an die Teammitglieder weiter.

Trotz dem späteren Wechsel zur Balair blieb er dem Fallschirmspringen treu: Kistler wurde Gründungsmitglied der Fallschirmgruppe Sittertal. Der dortige Absetzpilot Guido Brun motivierte ihn, Pilot zu werden. Die Karriere nahm ihren Fortgang: 1978 wurde Kistler Fluglehrer und begann die Ausbildung zum Berufspiloten. Zwei Jahre später wurde er bei Crossair Captain, Instruktor und Prüfungsexperte beim Bundesamt für Zivilluftfahrt.

Heisse Situationen im Bürgerkrieg
Zehn Jahre engagierte sich Kistler im Auftrag der Balair in Jerusalem. Der Einsatz für die United Nations als Delegationsleiter und Chefpilot zeigte sich als grosse Herausforderung: «Mit einer Fokker 27, damals noch ohne GPS, musste man alle 14 Tage die UNO-Beobachter ersetzen. Im Gegenlicht über der Wüste zu fliegen war nicht einfach, geschweige dann den Flugplatz dort zu finden. Zu Beginn musste man einen Überflug machen, um sicher zu sein, dass sich auf der Landebahn kein Kamel befindet.»

Nicht ungefährlich waren die UNO-Flüge nach Beirut, wo Bürgerkrieg herrschte. «Die Infrastruktur war zerbombt. Ein Wetterradarbild diente als Hilfsmittel und ein UNO-Observer orientierte uns via Funk und mittels Farbcode, ob es eine gefährliche Situation gibt: Grün hiess okay, Gelb bedeutete kritisch und bei Rot war es besser umzukehren. In kritischen Momenten wurde der Motor nie abgestellt, Fluggäste mussten rasch aus- oder einsteigen und dann hiess es, nichts wie weg.»

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Aufbau und Abschied von der Edelweiss Air

Von 1996 bis 2001 wirkte Kistler beim Aufbau der Edelweiss Air mit: Er wurde zum Chefpiloten, Leiter Operation und Instruktor auf Airbus A320/A330 befördert. Ab 2002 bis August 2014 amtierte er als Geschäftsführer. In dieser Zeitspanne trug er für unzählige Teammitglieder und Passagiere eine grosse Verantwortung. Seine fachlich korrekte und menschliche Art und Weise war ansteckend, ihn mochte man auf Anhieb. Und seine ruhige Ausstrahlung gab die Sicherheit für einen unbekümmerten Flug.

Zu Kistlers letztem Flug als Captain der Edelweiss Air nahm er seine Ehefrau Christina mit, die oftmals ohne ihn auskommen musste und gut zur Familie schaute. Sie kehrten am 13. April, abends um 19.20 Uhr, mit einigen Hundert Passagieren aus den Malediven zurück. Kistler landete mit einem lachenden und weinenden Auge. Viele Kaderleute und Crewmitglieder waren traurig, aber sie erinnern sich gerne an seine Kompetenz und Liebenswürdigkeit. Die Flughafenfeuerwehr Zürich begrüsste den Pensionär mit seiner Maschine mit einem eindrücklichen Wasserbogen.

Damit es Karl Kistler im Ruhestand nicht langweilig wird, hat er sich vor Jahren einen CH7-Heli-Eigenbau angeschafft. Am 28. März hat er damit seine 1000. Gebirgslandung im Engadin absolviert. Seine Freunde meinen, Charly hätte einen Fehler beim Bauen gemacht: «Dieser kleine Heli hat ja nur einen Sitz, jenen für den Piloten!»

Text und Bilder: Roland P. Poschung