Dieses Mal schafft es Zubi nicht mehr
Ständerat
Ausgangslage: FDP-Mann Andrea Caroni wurde 2011 in den Nationalrat und dann 2015 als Nachfolger von Marianne Kleiner in den Ständerat gewählt. Hatte er vor vier Jahren lediglich einen wilden Gegenkandidaten, tritt dieses Mal gar niemand gegen ihn an.
Prognose: Der souverän agierende Andrea Caroni gilt als heller Kopf, das Wort des Juristen hat gerade in staatspolitischen Fragen Gewicht in Bern. Dass er vom Ausserrhoder Volk mit gutem Resultat wiedergewählt wird, steht ausser Frage. Die Frage ist eher, wohin die weitere Laufbahn den inzwischen sehr erfahrenen, aber mit Jahrgang 1980 immer noch jungen Politiker führen wird. Ambitionen auf ein Exekutivamt habe er nicht, sagte er an einer Veranstaltung der SP auf eine entsprechende Frage. Nun ist klar, dass alle, die einmal Bundesrat werden möchten, genau das nicht lauthals verkünden. Vielleicht hat der frühere Mitarbeiter von Bundesrat Hans-Rudolf Merz aber auch gesehen, dass der Job in der Landesregierung gar nicht so begehrenswert ist. Wenn aber dereinst Karin Keller-Sutter nicht mehr regieren möchte, wird sein Name ganz weit oben auf der Liste der Papabili stehen.
Ergebnis: Ständerat Andrea Caroni wird im Amt bestätigt.
Nationalrat
Ausgangslage: Vor vier Jahren hat David Zuberbühler alle eines Besseren belehrt und sich über die Leader-Prognose hinweggesetzt: «Ergebnis: Die SVP verliert den einzigen Sitz an die FDP» schrieben wir an dieser Stelle. Lange sah es am Wahlsonntag tatsächlich so aus, als ob «Zubis» Zeit in Bern nach einer Legislaturperiode zu Ende geht: Nach 19 von 20 Gemeinden lag Zuberbühler 1000 Stimmen hinter seiner Herausforderin Jennifer Abderhalden von der FDP.
In einer Verfilmung der Ereignisse würde man genau in diesem Moment einen Lenny-Kravitz-Song einspielen: «It Ain’t Over Till It’s Over». Tatsächlich drehte Zuberbühler das Rennen auf der Zielgeraden und verwandelte in Herisau den riesigen Rückstand in einen knappen Vorsprung: Mit 7720 Stimmen vermochte er Jennifer Abderhalden, die auf 7561 Stimmen kam, noch abzufangen. Die Affiche «Alle gegen Zubi» ging zugunsten des bisherigen Nationalrats aus.
Angemerkt werden muss: Die FDP stellte unmittelbar vor den Wahlen mit Jennifer Abderhalden – die ein bemerkenswertes Resultat erzielte – ein politisch weitgehend unbeschriebenes Blatt auf, weil sich die ursprünglich vorgesehene Kandidatin Daniela Merz-Sturzenegger aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen musste. Trotzdem sprachen sich die SP wie auch die CVP für die FDP-Herausforderin aus: Hauptsache, der erzkonservative David Zuberbühler ist weg. «Zubi» stammt aus einer Freikirchentradition, gab seinerzeit aber an, selbst nicht Mitglied einer Freikirche zu sein. Seine Äusserungen gerade in gesellschaftspolitischen Fragen lassen den Hintergrund aber deutlich durchscheinen. Die Unterstützung der Sozialdemokraten für den Freisinn hat den Hintergrund, dass Zuberbühler wohl mit indirekter Hilfe der SP überhaupt erst gewählt wurde: 2015 erreichte FDP-Kandidat Markus Bänziger 5949 Stimmen, während 5058 Stimmen auf Jens Weber von der SP entfielen. Zuberbühler wurde mit 6394 Stimmen der lachende Dritte dieser Ausmarchung.
Die Mitte schert dieses Mal aus der Front gegen den SVP-Mann aus und tritt mit ihrer Präsidentin Claudia Frischknecht selbst an. SP und GLP unterstützen trotzdem den freisinnigen Kandidaten Matthias Tischhauser und verzichten auf eigene Kandidaturen, weil nur so eine realistische Chance bestehe, Zuberbühler abzuwählen.
Mathias Tischhauser, der Unternehmer und Kantonsrat aus Gais, betreibt einen sehr aktiven Wahlkampf und scheut sich auch nicht, den Amtsinhaber verbal anzurempeln und festzustellen, dass sein Leistungsausweis «erschreckend schwach» sei. Zuberbühler antwortete in der Appenzeller Zeitung, er habe als einziges Mitglied der grossen Kammer keine einzige Abstimmung verpasst, er sei überzeugt, «dass das Abstimmen die wichtigste Aufgabe eines Parlamentariers ist». Seine Gegner monieren, dass Politik hauptsächlich in den Kommissionen gemacht werde, Zuberbühler aber nur in einer Kommission mitwirke.
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Prognose: Appenzell Ausserrhoden tickt grundsätzlich weltoffen und liberal. Das zeigen auch die Kräfteverhältnisse im Kantonsrat: Von den 65 Mitgliedern stellt die FDP 22. Die zweitgrösste Gruppierung sind die Parteiunabhängigen mit 16 Sitzen, die SP hat 13, Mitte, EVP und GLP stellen acht, die SVP sieben Abgeordnete. Ein freisinniger Unternehmer, der einen gut vorbereiteten Wahlkampf führen konnte, müsste sich auf dem Papier gegen einen SVP-Politiker durchsetzen. In der Realität dürfte dieses Szenario nun auch eintreten, ein wichtiges Indiz dafür ist die Empfehlung des Gewerbeverbandes: Obwohl David Zuberbühler hier Vorstandsmitglied ist, beschlossen die Gewerbler Stimmfreigabe.
Ein unberechenbares Element ist allerdings die chancenlose Kandidatur von Mitte-Präsidentin Claudia Frischknecht. Einerseits dürfte sie als moderat progressive Politikerin eher FDP-Herausforderer Matthias Tischhauser Stimmen streitig machen, andererseits wird sie als Herisauerin wohl im Revier von David Zuberbühler wildern. Wer immer diese Ausmarchung verlieren wird, wird mit dem Finger auf Die Mitte zeigen. Auch wenn man niemanden zu früh abschreiben sollte: Unter dem Strich dürfte die Prognose von 2019 inzwischen doch noch zutreffen. David Zuberbühler wird von einer FDP-Kandidatur überholt und somit abgewählt.
Ergebnis: Matthias Tischhauser wird neuer Nationalrat von Appenzell Ausserrhoden.
Text: Philipp Landmark