Wirtschaft

Aus Wattwil in die ganze Welt

Aus Wattwil in die ganze Welt
Sarah und Tobias Bannwart
Lesezeit: 4 Minuten

Jeder von uns hat ein Handy, fast jeder trägt zumindest zeitweise eine Brille. Ihr gemeinsamer Nenner: Die dazu gehörenden Gläser wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Toggenburger Know-how hergestellt. Die Turbo-Separator AG ist seit bald 70 Jahren auf dem Weltmarkt tätig. Anfang dieses Jahres hat Eigentümer Ruedi Bannwart das operative Geschäft der Zentrifugen- und Filteranlagenspezialistin aus Wattwil an seine Kinder Sarah und Tobias Bannwart übergeben.

Sarah und Tobias Bannwart, Ihre Zentrifugen und Filteranlagen «Made im Toggenburg» werden auf der ganzen Welt geschätzt. Wo liegt Ihr Hauptabsatzmarkt?
Sarah Bannwart: Vor allem in Deutschland, Europa, der Schweiz und in China. Immer öfter werden unsere Anlagen jedoch auch in Indien, Thailand und in den USA installiert und genutzt.

Und welche Branchen vertrauen hauptsächlich auf Ihre Lösungen?
Tobias Bannwart: Unsere Hauptbranchen haben sich im Laufe der Zeit von Werkzeugherstellern mit Einzelanlagen immer mehr in Richtung Keramik- und Glasbearbeiter (Photonics) verschoben, wobei wir noch heute viele Anlagen in den traditionell mit unseren Maschinen verbundenen Märkten der Metallbearbeitung verkaufen. Der Trend geht aber definitiv in Richtung Präzisionsglasbearbeitung, Keramik und Brillenoptik. Diese Grossanlagen werden immer kundenspezifisch geplant und gebaut.

Kundenspezifisch ist ein gutes Stichwort: Bieten Sie ausschliesslich Systeme aus Ihrer Modellpalette an oder liefern Sie auch Anlagen nach speziellen Kundenbedürfnissen?
SB: Wir sind seit jeher bekannt dafür, unsere Anlagen kundenspezifisch zu bauen. Obwohl wir eigentlich ein Zentrifugenhersteller sind, gibt es Systeme, bei denen die Zentrifuge den kleinsten Teil ausmacht. Unser Ziel ist es, dem Kunden die optimale Anlage zu seinem Prozess zu liefern, auch wenn das vielleicht bedeutet, dass sie keine Zentrifuge mehr beinhaltet.

 

«Wenn eine Toggenburger Firma Unterstützung benötigt, kann sie auf benachbarte Unternehmen zählen.»

Als Laie sagt man sich: Zentrifugen sind Zentrifugen. Was macht die Turbo-Zentrifugen speziell?
TB: Unsere Zentrifugen sind Trommelzentrifugen, die dafür genutzt werden, Feststoffe, also Verunreinigungen, aus Flüssigkeiten zu trennen. Hier machen wir uns die Schwerkraft in Form von Zentrifugalkraft zunutze. Die Bauart unserer Zentrifugen ist bei den Standardmaschinen sehr kompakt, «plug & play» und teilweise sogar als mobile Lösung verfügbar.

Und was die Turbo-Filteranlagen?
SB: Wir sehen uns nicht mehr als Zentrifugen- oder Filteranlagenbauer. Sondern als der Partner, wenn es um die Aufbereitung von Prozessflüssigkeiten geht. Wir nutzen diejenige Technologie, die dem Kunden den optimalen Nutzen bringt. Dies kann über eigenentwickelte Fremdflüssigkeitsabscheider oder über zugekaufte Filter von Partnern sein.

Ihre Systeme werden u. a. in der Produktion von Handy- und Brillen-Gläsern eingesetzt. Können Sie ein paar Kunden nennen, auf die Sie besonders stolz sind?
TB: Aufgrund von Geheimhaltungsvereinbarungen können wir unsere Kunden leider nicht mit Namen benennen. Jedoch kann ich garantieren, dass ein Grossteil Ihrer Leser bereits indirekt Kontakt mit unseren Produkten gehabt hat oder diese sogar täglich nutzt.

 

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Jetzt sind Sie seit der Gründung 1956 in Wattwil beheimatet. War der Wegzug aus dem Toggenburg nie ein Thema?
SB: Wir in Wattwil verwurzelt und konnten allezeit auf die Unterstützung der Gemeinden zählen. So wurden wir immer in unserem Wachstum unterstützt. Daher nein, es war bisher kein Thema und ist auch für die Zukunft nicht geplant.

Das Toggenburg wird als Wirtschaftsregion gerne unterschätzt. Wo sehen Sie die Standortvorteile?
TB: Da haben Sie recht – wenn jemand sagt, er arbeite im Toggenburg, bekommt er meistens nur ein müdes Lächeln. Wir sind, obwohl in Wattwil beheimatet, durch die Umfahrungsstrassen bis nach Wil rasch auf der Autobahn A1. Dadurch sind unsere Mitarbeiter im Umkreis von 30 bis 40 km schneller in Wattwil als in Zürich. Zudem haben wir eine wunderschöne Umgebung und noch bezahlbare Wohnungspreise, was einer modernen Work-Life-Balance stark entgegenkommt. Ebenso haben wir mittlerweile eine starke, innovative Industrie im Toggenburg, wobei im Vergleich zu anderen Regionen die Unterstützungsbereitschaft der Bevölkerung und der Unternehmen riesig ist. Wenn eine Firma Unterstützung benötigt, kann sie auf benachbarte Unternehmen zählen. Diese Nähe schätzen wir sehr.

Und wie geht es Ihnen bezüglich Fachkräfte; können Sie genügend Personal rekrutieren?
SB: Natürlich ist der Fachkräftemangel allgegenwärtig, jedoch können wir nicht über einen Mangel an spannenden, interessanten Bewerbungen klagen. Wir versuchen, uns bestmöglich für die Zukunft und «New Work» aufzustellen; hier sind wir als mittelständisches Familienunternehmen teilweise etwas limitiert. Wir wollen jedoch den Bedürfnissen der Bewerber grösstmöglich entgegenkommen.

 

Sie haben seit 1989 eine Tochterfirma in Deutschland, seit 2010 eine in China. Wird in Gottmadingen und Shanghai auch produziert oder sind die reinen Vertriebsgesellschaften, für Europa und für Asien?
TB: Da die Tochterfirma in Deutschland ein ehemaliger Mitbewerber von uns war, hatten sie bis vor einiger Zeit eigene Produkte und eine Produktion. Wir haben aber Letztere heruntergefahren und verlagert. Unser Ziel für den Standort Deutschland ist, ihn zu einem «Center of Competence» für Service und Verkauf zu transformieren. In China wurde dieses Jahr die erste Rückspülfilteranlage gebaut, die als Kernstück eine Zentrifuge aus der Schweiz enthält. Diese Anlage ist vorerst nur im chinesischen Markt erhältlich. 

Anfang 2023 hat Ruedi Bannwart das operative Geschäft an Sie beide übergeben. Was werden Sie anders, was gleich machen wie Ihr Vater?
SB: Wenn die Firma seit 1956 besteht und mehr als 20 Jahre durch unsere Eltern geführt wurde, dann kann nicht alles falsch gemacht worden sein. Natürlich haben wir einige Ideen und Vorstellungen, wie wir uns Zusammenarbeit und Organisation der Firmen vorstellen. Dasselbe gilt für die Art und Weise, wie gearbeitet wird – wir sind mit all den neuen Technologien aufgewachsen, die bislang nicht überall genutzt werden.
TB: Des Weiteren ist es unser Ziel, dass die Firma auch ohne uns funktionieren kann, dasselbe gilt für unsere Führungscrew. Um dies nachhaltig zu implementieren, werden wir noch einige Zeit einsetzen müssen. Es ist aber schön für uns, mit den Eltern gewissermassen einen «Notnagel» zu haben. Sie geben uns Freiheit und Unterstützung auf unserem Weg. Als Verwaltungsräte und Eigentümer sind sie noch immer mit der Firma verbunden – und das freut uns sehr.

Text: Stephan Ziegler

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

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