«Unternehmerische Risiken gehören zu unserer Aufgabe»

«Unternehmerische Risiken gehören zu unserer Aufgabe»
Stefan Sonderegger, Paul Zähner
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Die Steinegg Stiftung aus Herisau unterstützt kulturelle und soziale Projekte im Ausserrhodischen und in der Ostschweiz. Ihre Fördertätigkeit finanziert sie über Erträge aus regionalen Beteiligungen, Finanzanlagen und Immobilien, die von der Steinegg AG bewirtschaftet werden. Zweck der Stiftung ist auch der Erhalt einer gesunden Wirtschaftsstruktur in Ausserrhoden. Trotzdem musste Anfang 2024 die Schliessung der Mehrheitsbeteiligung AG Cilander bekannt gegeben werden. Stiftungsratspräsident Stefan Sonderegger und Steinegg-AG-Verwaltungsratspräsident Paul Zähner über die Gründe, die Folgen und die grundsätzliche Frage, ob sich Stiftungen an Unternehmen beteiligen sollen.

Die Beteiligung der Steinegg AG an der AG Cilander hat eine lange Geschichte, die eng mit dem Gründer der Stiftung, Heinrich Tanner, verbunden ist: Tanner, der selbst aus einer Unternehmerfamilie stammte, engagierte sich ab den 1960er Jahren im Verwaltungsrat der AG Cilander und erwarb nach und nach Aktien des Unternehmens. Als kinderloser Unternehmer brachte er Ende der 1990er-Jahre seine Aktienmehrheit über die Steinegg AG in die Steinegg Stiftung ein und machte damit die Förderung regionaler Unternehmensbeteiligungen zu einem Teil des Stiftungszwecks.

«Die ideelle und finanzielle Unterstützung der AG Cilander in einem sich über Jahrzehnte stetig verschlechternden textilwirtschaftlichen Umfeld hat sich schrittweise etabliert», sagt Paul Zähner, VRP der Steinegg AG. «Diese Unterstützung trug sicher auch dazu bei, dass Cilander zu den letzten verbleibenden Textilveredlern in der Schweiz zählte.»

«Es war weder eine Insolvenz noch ein Konkurs, sondern eine kontrollierte Schliessung.»

Kein Konkurs, sondern kontrollierte Schliessung

Trotz aller Bemühungen des Managements und des Verwaltungsrats zeichnete sich im Sommer 2023 ab, dass ein Turnaround ohne erhebliche neue finanzielle Mittel und einen strategischen Partner nicht mehr realistisch war. Dies führte letztlich zur Schliessung der AG Cilander Anfang 2024. «Es war weder eine Insolvenz noch ein Konkurs, sondern eine kontrollierte Schliessung», betont Zähner.

Das Engagement der Steinegg AG in der AG Cilander ist kein Einzelfall, sondern Teil einer Strategie, die darauf abzielt, zur Erhaltung der Wirtschaftsstruktur in Ausserrhoden beizutragen. Die Stiftung verfolgt damit einen doppelten Zweck: Einerseits möchte sie als langfristig denkender, lokal verankerter Aktionär Stabilität in die Unternehmen bringen, in die sie investiert, insbesondere in Nachfolgesituationen.

Dadurch soll der Erhalt von Arbeitsplätzen in der Region gesichert und es sollen, wenn möglich, neue geschaffen werden. «Andererseits dienen die Erträge aus diesen Beteiligungen der Finanzierung der Fördertätigkeit der Steinegg Stiftung», so Zähner.

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Gemischte Rendite, breite Risikoverteilung

Neben der Cilander hält die Steinegg AG Beteiligungen an weiteren Ausserrhoder Unternehmen, darunter die Hänseler AG, die Cabana AG und der Appenzeller Verlag. Diese Beteiligungen sind von unterschiedlicher wirtschaftlicher Bedeutung, doch alle gehören zum Gesamtvermögen der Stiftung. Zähner erläutert, dass das Stiftungsvermögen zu je rund einem Drittel in Beteiligungen, Immobilien und Finanzanlagen investiert sei. «Diese Diversifizierung ist wichtig, um eine breite Risikoverteilung zu gewährleisten und langfristig stabile Erträge zu generieren», sagt Zähner.

Die Schliessung der AG Cilander wirft dennoch die grundsätzliche Frage auf, ob es für eine Stiftung sinnvoll ist, grosse Beteiligungen an Industriebetrieben zu halten. Paul Zähner sieht diese Frage differenziert: «Es ist nicht an uns, das Halten von regionalen Beteiligungen grundsätzlich zu beurteilen», sagt er. «Diese Aufgabe ist uns mit dem Stiftungszweck vorgegeben und wurde vom Stifter vorgelebt.»

Unternehmerische Tätigkeit und unternehmerische Risiken gehören zu den Herausforderungen, denen sich die Steinegg AG stellen müsse. Dazu gehöre auch, schwierige Entscheidungen zu treffen, wie etwa, sich nicht weiter finanziell in einem Unternehmen zu engagieren, wenn eine nachhaltige Perspektive fehlt – wie es bei der AG Cilander der Fall war.

«Persönlich verfasste Gesuche sind wie ein Spiegel eines Projektes.»

Fördergeld muss erwirtschaftet werden

Neben wirtschaftlichen Überlegungen spielt das kulturelle Engagement der Steinegg Stiftung eine Rolle. Ein Beispiel dafür ist die Beteiligung am Appenzeller Verlag, die weniger auf unternehmerischen Überlegungen beruht, sondern als Einsatz gegen die Verarmung der Medienlandschaft in der Region zu verstehen ist. «Er ist einer der bedeutendsten Verlage der Ostschweiz», erklärt Zähner. «Dank unserer Beteiligung konnte eine Nachfolgelösung für die Zukunft gefunden werden.» Dieses Engagement verdeutliche die Vielseitigkeit der Stiftung.

Stefan Sonderegger, Präsident des Stiftungsrates, betont denn auch, dass die Steinegg Stiftung keine reine Kulturstiftung sei. «Nach rechtlicher Definition sind wir eine Unternehmensstiftung, deren Zweck die Förderung von Projekten zugunsten der Gesellschaft ist», sagt er.

«Das Geld dazu müssen wir erwirtschaften – wie in einem Unternehmen.» Diese Struktur ermöglicht es der Stiftung, in verschiedenen Bereichen tätig zu sein, wobei die unternehmerische und die philanthropische Tätigkeit klar voneinander getrennt sind. «Die Aktiengesellschaft sorgt für die Mittel, die der Stiftungsrat für die Förderung benötigt», erläutert Sonderegger. Durch diese Trennung sei sichergestellt, dass beide Aufgabenbereiche effektiv erfüllt werden können.

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«Die Aktiengesellschaft sorgt für die Mittel, die der Stiftungsrat für die Förderung benötigt.»

Nicht nur Geldgeber, sondern auch «Ermöglicher»

Die Steinegg Stiftung hat in den vergangenen Jahren viel Gutes in der Region bewirkt, auch wenn die Schliessung der AG Cilander Negativschlagzeilen verursacht hat. Zu den «Leuchtturmprojekten» gehören etwa Spenden an die interkantonale Stiftung des Kinderspitals St.Gallen oder an die Sanierung des Fabrikantenhauses in Schwellbrunn.

Doch der Grossteil der Fördertätigkeit betrifft kleinere und mittlere Beträge, die von ebenso grosser Bedeutung sind. «Ein Jugendlager mit 1000 Franken zu unterstützen oder Hilfsbedürftigen unter die Arme zu greifen, gehört auch zu unseren Aufgaben», erklärt Sonderegger. Während der Coronazeit errichtete die Stiftung einen Hilfsfonds und konnte mit À-fonds-perdu-Vergabungen viel bewirken.

Bei der Beurteilung von Fördergesuchen verfolgt die Steinegg Stiftung einen flexiblen Ansatz. «Wir verzichten bewusst auf eine Eingabemaske mit definierten Vorgaben», sagt Sonderegger. «Persönlich verfasste Gesuche sind wie ein Spiegel eines Projektes und des Engagements der Gesuchsteller.» Diesem Verständnis liegt die Überzeugung zugrunde, dass die Stiftung nicht nur Geldgeber, sondern auch «Ermöglicher» sein soll.

In vielen Fällen tritt die Stiftung in Kontakt mit anderen Förderinstitutionen, um grössere Projekte gemeinsam zu finanzieren. «Dazu dienen die dreimal im Jahr stattfindenden Austausche der grösseren Stiftungen Ausserrhodens», erklärt Sonderegger. Diese Zusammenarbeit sei besonders wichtig, wenn es um grosse Beträge für Projekte wie beispielsweise Museumsausstellungen oder Theaterfestspiele geht.

Unabhängiger und schneller als staatliche Fördergremien

Die grösste Herausforderung der Zukunft sieht Sonderegger in der zunehmenden Regulierung und Administrierung. Denn ein grosser Vorteil von Stiftungen besteht darin, dass sie unabhängiger und schneller handeln könnten als staatliche Fördergremien.

Ein aktuelles Beispiel dafür ist die vorübergehende Schliessung des Volkskunde-Museums in Stein aufgrund mangelnder Liquidität. «Dank einer schnell beschlossenen Finanzspritze durch drei Stiftungen wird eine Teilöffnung wieder möglich», berichtet Sonderegger. «Es ist wichtig, dass Stiftungen ihren Handlungsspielraum bewahren können und nicht weiter gesetzlich eingeschränkt werden. Wir müssen weiterhin in der Lage sein, pragmatisch und schnell zu entscheiden.»

Die Steinegg Stiftung ist auch in der Entwicklungszusammenarbeit aktiv. Ein Beispiel dafür ist ein Projekt in Nepal, bei dem die Stiftung den Bau einer Wasserversorgung für ein Dorf finanzierte. «Das Denken, dass Förderung sich nur auf die Schweiz beschränkt, erachten wir als überholt», sagt Sonderegger. Angesichts der globalen Herausforderungen, die auch die Schweiz betreffen, sei ein internationaler Ansatz in der Förderarbeit notwendig.

Text: Stephan Ziegler

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

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