«Ich stehe für wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen»
Text: Stephan Ziegler
Dana Zemp, Sie sind erst im Oktober 2023 der SVP beigetreten. Kam die Partei auf Sie zu – oder war es umgekehrt?
Der Kontakt fand initial über private, später parteigebundene Begegnungen statt.
Das aber mit dem Ziel, 2024 in den St.Galler Regierungsrat gewählt zu werden?
Natürlich war eine mögliche Kandidatur für den Regierungsrat ein Thema, das schnell an Bedeutung gewonnen hat. Es wäre aber nie konkret geworden, wären nicht zwei wichtige Rahmenbedingungen erfüllt gewesen: erstens gemeinsame politische Schwerpunkte – und zweitens mein Kompetenzrucksack.
Was hat Sie hauptsächlich dazu motiviert, jetzt für ein Exekutivamt zu kandidieren?
Ich bin 54 Jahre alt und befinde mich an einem Punkt in meinem Leben, in dem ich einerseits viele Erfahrungen und Kompetenzen sammeln durfte, andererseits die Lust und die Kraft habe, noch viel zu bewegen. Es ist mir zudem ein Anliegen, etwas an die Gesellschaft zurückzugeben. Am Exekutivamt reizt mich aber nicht zuletzt die operative Komponente, denn ich bin eine Macherin. Und: Durch meine langjährige Tätigkeit als Kantonsärztin bin ich auch mit der Verwaltung vertraut.
Sie sind also keine «Quotenfrau» fürs Regierungsrats-Zweierticket der SVP?
Ich arbeite schon mein ganzes Leben lang in Bereichen und Gremien, in denen ich nicht selten die einzige Frau bin. Das Konzept «Quotenfrau» hat mich noch nie beschäftigt.
Sie waren früher bei der CVP, haben 2007 für den Zürcher Kantonsrat kandidiert. Weshalb nun die SVP und nicht die heutige «Mitte»?
Die SVP ist eine Partei, die gradlinig und transparent ist. Sie nennt die Dinge beim Namen. Das tue ich auch. Ein Wähleranteil von über 30 Prozent zeigt, dass die SVP häufig sagt, was viele denken, sich aber nicht zu sagen trauen.
Trotz der politischen Unerfahrenheit trauen Sie sich auf Anhieb ein Exekutivamt auf kantonaler Ebene zu?
Ich fühle mich im politischen Umfeld nicht als Neuling. Über 20 Jahre arbeitete ich in verschiedenen Kantonen Seite an Seite mit der Politik, kantonal und national. Das Amt einer Kantonsärztin ist übrigens ein Amt, in das man vom Gesamtregierungsrat gewählt wird. Als Kantonsärztin muss man im Sinne der ganzen Bevölkerung denken, wichtige Entscheide treffen, für diese geradestehen und die Interaktion mit den politischen Kräften pflegen. Man ist eine öffentliche Person, die im Dienste der Bevölkerung steht. Das ist beim Regierungsrat nicht anders.
Mit Bruno Damann steht bereits ein Mediziner dem Gesundheitsdepartement vor. Welches wäre Ihr Wunschressort?
Natürlich liegt eine meiner Kernkompetenzen im Gesundheitswesen, aber ich kann mir grundsätzlich jedes Departement vorstellen – es reizt mich wirklich jedes.
Welche Probleme identifizieren Sie aktuell im Kanton St.Gallen – und wie möchten Sie die angehen?
Hier gibt es einen ganzen Strauss an Themen: In meinem Berufsalltag höre ich täglich von Einbrüchen im Rheintal. Wir müssen diese Region baldmöglichst entlasten. Es braucht verstärkte Grenzkontrollen und die Polizeipräsenz in den Dörfern muss erhöht werden. Dann: Die Sicherstellung von ausreichend Energie und Strom und die Anliegen des Landschaftsschutzes treiben aktuell einen Keil in die Gesellschaft. Der Energiebedarf wird sich aber in den kommenden Jahren verdoppeln. Hier braucht es dringend Lösungen. Hier wünsche ich mir eine konstruktive Dialogplattform aller Stakeholder, um gemeinsam gangbare Wege zu finden. Auch möchte ich hier die Interaktion zwischen den Kantonen und dem Bund erwähnen: Meiner Ansicht nach verlieren die Kantone, auch als Relikt aus der Pandemie, an Bedeutung in der Zusammenarbeit mit dem Bund. Hier möchte ich die Stimme des Kantons und der Ostschweiz wieder erklingen lassen. Ich bin vom Föderalismus und bürgernahen Lösungen überzeugt.
Auch im St.Galler Gesundheitswesen müssen verschiedene Baustellen angegangen werden …
Absolut! Im stationären Bereich geht es um den richtigen Mix aus zentraler und dezentraler Versorgung, den richtigen Grad an wirtschaftlicher Freiheit der Spitalverbunde und die Frage der gemeinwirtschaftlichen Leistungen wie Lehre und Forschung. Zudem muss die kantonsübergreifende Spitalplanung als Weg verfolgt werden. Im ambulanten Bereich muss die Hausarztmedizin wieder flächendeckend zur Verfügung stehen, was wir nur mit mehr Ausbildungsplätzen und enger Zusammenarbeit mit den Gemeinden schaffen können. Übergreifende Themen sind hier etwa die Digitalisierung und die integrierte Versorgung, auch zwischen öffentlichen und privaten Leistungserbringern.
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Und was darf die hiesige Wirtschaft von einer Regierungsrätin Zemp erwarten?
Ich stehe für wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen. Die Schweiz ist ein KMU-Land; hier sehe ich auch den grössten Handlungsspielraum auf kantonaler Ebene. Als Regierungsrätin möchte ich mich für förderliche Unternehmenssteuern einsetzen, damit den Unternehmen ausreichend Mittel für ihre Weiterentwicklung und Innovation übrigbleiben. Zudem steht die Förderung der Berufsbildung weit oben auf meiner politischen Agenda. Ich möchte mich für ausreichend Ausbildungsplätze einsetzen, damit alle jungen Menschen eine passende Ausbildungsstelle und ihren Platz in den Unternehmen finden. Internationale Themen wie etwa die Zusammenarbeit mit der EU sind hingegen Fragen, die primär auf nationaler Ebene Antworten finden müssen.
Wie stehen Sie als gebürtige Polin zur Migration? Welche Migranten brauchen wir?
Die Schweiz ist auf die Zuwanderung angewiesen. Das Gesundheitswesen und die Unternehmen brauchen dringend Fachkräfte, heute und morgen. Der Schweiz muss es nicht peinlich sein, wenn sie ihre Zuwanderungspolitik auf diese Personen fokussiert, denn dies tun die meisten Länder im internationalen Kontext schon lange. Unser Sozialsystem muss und darf geschützt werden.
Und wie viele verkraften wir?
Das Thema «Verkraften» muss die Politik in den kommenden Jahren sehr ernst nehmen. Wenn sich die einheimische Bevölkerung nicht mehr wohl und sicher fühlt, führt das zu Unruhe und Aggression. Um den Zeitpunkt, in dem die freundliche Stimmung in der Bevölkerung kippt, nicht zu verpassen, muss sich die Politik über die bestehenden demokratischen Instrumente in einen steten Dialog mit der Bevölkerung begeben. Migrationspolitik auf dem Reissbrett birgt gerade heute viele Gefahren für die inländische Stabilität.
Es wird etliche Wähler geben, die Sie zwar als gute Wahl ansehen, aber prinzipiell nicht SVP wählen wollen. Wie überzeugen Sie diese, Ihnen trotzdem die Stimme zu geben?
Regierungsratswahlen sind Personenwahlen. Im Rahmen meines Wahlkampfs bin ich seit Wochen im ganzen Kanton St.Gallen unterwegs, um mich als Person und Politikerin vorzustellen. In Gesprächen höre ich häufig: «Wir brauchen in der Regierung in erster Linie integre Persönlichkeiten.» Das freut mich, denn in einer Welt, die voll von Hass und Aggression ist, muss gerade die Regierung Sicherheit und Stabilität vermitteln. Leider dient uns unser Nachbarland Deutschland aktuell als Negativbeispiel.
Und wie die «Hardcore-SVP-ler», denen Sie vielleicht zu links sind?
Hierbei spielen viele Klischees rein: Frau, Mutter, Ärztin, Migrationshintergrund … Ist das typisch links? Ich denke nicht, denn hinter Dana Zemp stecken Eigenverantwortung als Lebensprinzip und die Überzeugung, dass der Staat keine Hängematte sein darf. Einen schnellen Überblick über mein politisches Profil verschafft man sich übrigens anhand der Smartvote-Spinne.
Zum Schluss: Die Steuern im Kanton St.Gallen sind …
… viel zu hoch! Besonders störend sind die Heiratsstrafe und der Eigenmietwert.
Text: Stephan Ziegler
Bild: Marlies Beeler-Thurnheer