Vom Toggenburg bis Saudi-Arabien
Katharina Lehmann, seit Anfang Jahr treten all Ihre Betriebe (Blumer-Lehmann AG, Lehmann Holzwerk AG und BL Silobau AG) als «Blumer Lehmann» auf. Warum die Konzentration auf einen einzigen Markennamen – und weshalb gerade jetzt?
Wir haben schon seit einiger Zeit festgestellt, dass unser Markenkonstrukt gegen aussen schwierig verständlich und stark eine Darstellung der Innensicht war. Ausserdem entwickelte sich die Marke Blumer Lehmann in den vergangenen Jahren weiter und erlangte auch in unseren relevanten Märkten im In- und Ausland eine gewisse Bekanntheit. Zusätzlich wollten wir das «Wir-Gefühl» gegen Innen stärken. Schliesslich arbeiten wir in einer integrierten Wertschöpfungskette entlang der Holzverarbeitung; viele unserer internen Servicestellen wie HR, Finanzen, Marketing oder Technik sind firmen- und bereichsübergreifend tätig. Da auch bei unseren Arbeitsprozessen ein immer stärkeres «Zusammenwachsen» stattfindet, wollten wir das einfach und verständlich in einem gemeinsamen Auftritt abbilden.
Sie wollen auch eine interne Academy ins Leben rufen, welche die Potenziale Ihrer Angestellten stärken und ausbauen soll. Wäre es nicht einfacher, sich ausgebildete Fachleute von aussen zu holen?
Einfacher sicher – aber nicht besser. Der bevorstehende Fachkräftemangel, der bereits jetzt spürbar ist und sich mit den geburtenschwachen Jahrgängen weiter akzentuieren wird, stellt uns vor neue Herausforderungen. Wir sind überzeugt, dass wir unseren zukünftigen Bedarf an Fach- und Führungskräften in der Holzindustrie und im Holzbau nur bewältigen, wenn wir vermehrt selbst in die Aus- und Weiterbildung von unseren Mitarbeitenden investieren. Die Academy widmet sich ausserdem der Ausbildung von Lernenden, der Weiterbildung und Entwicklung von bestehenden Angestellten sowie der Schulung von Studenten, Partnern und Kunden.
Ende 2024 wollen Sie Ihr neues Bürogebäude im Erlenhof beziehen; ebenfalls 2024 sollen neue Produktionshallen in Betrieb genommen werden können. Die Nachfrage nach Holzbauten scheint zu steigen?
Ja, die Nachfrage nach Holzbauten nimmt in der Schweiz und weltweit zu. Dies hat mit der Erkenntnis zu tun, dass der Holzbau einen grossen Beitrag zu den aktuellen Fragen rund um die Klimakrise und die nachhaltige Entwicklung unserer Bauwirtschaft leisten kann. Zudem bietet Holz gute Möglichkeiten, die Gebäude oder Bauteile im Werk zu einem hohen Mass vorzufertigen, was die Produktivität auf den Baustellen erhöht und die Bauzeiten minimiert. Und natürlich leistet Holz Beiträge zur Energiepolitik – auch dieses Potenzial wollen wir an unserem Gossauer Standort ausschöpfen.
Stehen Sie damit gewissermassen unter einem «Zwang zum Wachstum»?
Ja, wenn wir unseren Gossauer Standort sichern und Teil dieser Entwicklung bleiben möchten, müssen wir innovativ, aber auch leistungsfähig sein. Die Holzbau-Projekte werden grösser und komplexer – und wir sind gefordert, mit unseren Dienstleistungen in der Planung und Entwicklung, aber auch mit unseren Produktionsmöglichkeiten auf diesen Trend zu reagieren.
Was wird zurzeit am meisten nachgefragt?
Unsere Holzbaukunden sind Architekten, Generalunternehmen, Investoren, öffentliche oder private Bauherren. Die Anfragen beziehen sich auf klassische Holzelementbauten, standardisierte Modulbauten, aussergewöhnliche Free-Form-Bauten, Siloanlagen für den winterlichen Strassenunterhalt genauso wie auf Umbauten, Erweiterungen oder Gebäude für landwirtschaftliche Nutzungen. Der Trend zu grösseren oder höheren Bauten oder auch zu nachhaltigeren Baukonzepten in Bezug auf Ressourcenverbrauch, graue Energie, CO₂-Fussabdruck oder Kreislauffähigkeit von Bauteilen oder Modulen ist über alle Segmente deutlich feststellbar. In der Holzverarbeitung dürfen wir uns auf viele Partner verlassen, die den Wert von lokal produzierten Holzprodukten zunehmend zu schätzen wissen.
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Was ist aktuell das grösste Projekt?
Zurzeit arbeiten wir an verschiedenen grösseren Projekten, die in der Planung oder Umsetzung sind. Ein grosses Unterfangen sind zwei Hotelprojekte in Saudi-Arabien am Roten Meer mit rund 250 kleineren Gebäuden. Hier in der Region stehen ebenfalls einige grössere Bauten an, wie das Klanghaus im Toggenburg, das Bürogebäude für die Appenzeller Bahnen und die Regiobus AG, der Neubau für die psychiatrische Klinik in Herisau, das Bundesasylzentrum in Altstätten oder das Regierungsgebäude in Frauenfeld.
Werden die Projekte generell immer grösser – also weg vom EFH oder der Aufstockung, hin zum grossvolumigen Wohn- und Gewerbebau?
Holz kommt zurück ins urbane Umfeld. Und dort wird verdichtet gebaut. In diesem Kontext ist es wahrscheinlich, dass auch die Holzbauten grösser – länger oder höher – werden.
Was kann Blumer Lehmann, was andere nicht können?
Das ist eine gute Frage. Einer unserer grossen Wettbewerbsvorteile ist das komplette Wissen über den Rohstoff Holz und die grosse Wertschöpfungstiefe, die auch Transportkosten und Emissionen minimiert. Die Summe an Wissen in allen Bereichen unserer Firma über die Planung und Verarbeitung des Rohstoffes ist sicher aussergewöhnlich hoch und führt zu einem hohen Kundennutzen.
Sie haben kürzlich den Vorarlberger Holzbauer oa.sys übernommen und erhalten damit neben Deutschland und Luxemburg ein weiteres Standbein in der EU. Wie wichtig sind die EU-Standorte?
Wir möchten an unseren ausländischen Standorten für die jeweils lokalen Märkte produzieren, näher bei unseren Kunden sein und Transportdistanzen minimieren. Und zudem können wir an den Orten unserer Niederlassungen zusätzliche Fachkräfte und Spezialisten gewinnen. Das sind die Hauptmotive unserer Entscheide und nicht die Frage, ob wir ausser- oder innerhalb der EU arbeiten. Und wie sieht das Auftragsverhältnis heute aus – bauen Sie mehr im Ausland oder in der Schweiz? Die Schweiz ist nach wie vor unser wichtigster Markt und wir setzen alles daran, unsere Schweizer Kunden optimal zu bedienen. 2022 betrug allerdings der Anteil von ausländischen Bauten umsatzmässig fast die Hälfte. Dies aufgrund zahlreicher Grossprojekte in Deutschland, Luxemburg, Schweden oder Saudi-Arabien.
Sie machen sowohl Auftragsarbeiten von externen Architekten als auch Eigenentwicklungen, wenn man so sagen will. Wie ist hier das Verhältnis, kommen mehr Kunden mit konkreten Ideen oder wollen sie Unterstützung von Ihnen bei der Entwicklung eines Projekts?
Bei beinahe allen Bauten arbeiten wir mit externen Architekten zusammen – partnerschaftlich und je nach Gebäudekategorie und Schnittstellen mit unterschiedlichen Leistungspaketen. Heute ist es oft der Fall, dass ein Bauherr direkt zu uns kommt und bei uns eine massgeschneiderte Lösung sucht, die wir dann im Netzwerk und mit unseren Partnern anbieten, planen und ausführen.
2025 feiern Sie Ihr 150-Jahre-Jubiläum. Ist dann Konsolidierung angesagt oder planen Sie schon weitere Ausbauschritte?
Nach dieser aktuell sehr intensiven Investitionsphase am Standort Gossau benötigen wir wohl eine Pause der Konsolidierung und hoffen, dass diese auch eintreten wird. Aber ich befürchte, dass es uns auch dann nicht langweilig werden wird und wir gefordert bleiben.
Text: Stephan Ziegler
Bild: Thomas Hary