Wirtschaft

Innovativ seit 100 Jahren

Innovativ seit 100 Jahren
Marcel und Roger Baumer: Flache Hierarchie.
Lesezeit: 5 Minuten

Am 19. April 1922 gründete Ferdinand Hälg die «Ferd. Hälg Zentralheizungs- fabrik» am heutigen Hauptsitz an der Lukasstrasse in St.Gallen. 2008 übernahmen Roger und Marcel Baumer, die Urenkel des Firmengründers, die Führung des Unternehmens. Heute zählt das Unternehmen 1100 Mitarbeiter, macht einen Jahresumsatz von 315 Millionen und ist schweizweit tätig. Die Brüder blicken mit Zuversicht in die Zukunft.

Roger und Marcel Baumer, Ferdinand Hälg konnte die erste Zentralheizung schon am 8. Juli des Gründungsjahrs installieren. Heute sind Zentralheizungen nicht mehr die USP, Hälg hat sich in Heizung, Lüftung, Klima, Kälte und Sanitär diversifiziert. Welcher Bereich läuft am besten?
Roger Baumer: Wir differenzieren wenig nach HLKS, da wir ja viele Projekte bearbeiten, in denen wir mehrere Gewerke liefern dürfen. Neben dem Geschäftsfeld Anlagenbau entwickeln sich auch die weiteren Geschäftsfelder Engineering, Gebäudeautomation, Service und Facility Management sehr gut.

Sie sind letztes Jahr wiederum gewachsen, konnten den Umsatz von 312 auf 315 Millionen Franken steigern. Ist der Peak bei Neu- und Umbauten erreicht oder geht es weiter aufwärts?
Marcel Baumer: Neu- und Umbau halten sich seit Jahren die Waage, wobei der Ersatzneubau verstärkt an die Stelle von Sanierung tritt. Die Bauausgaben bewegen sich generell eher seitwärts, dafür steigen die Ausgaben für Unterhalt.

Zu schaffen macht im Baubereich vor allem der hohe Preisdruck. Wie sehr tut Ihnen Preisdumping weh?
RB: Jeder Unternehmer soll am Markt den Preis machen, den er für richtig hält. Generell aber sehen wir sehr tiefe und für uns oft nicht nachvollziehbare Preise. Das kann sein, weil die Kapazitäten ausgelastet werden müssen – oder aber, weil die Kostenbasis nicht im Detail bekannt ist.

Gerade ging der Zusammenschluss von zwei grossen HLKS-Playern (Engie/Equans und Bouygues) durch die Presse. Sie hingegen wachsen durch Zukäufe von kleineren Firmen. Ein Zusammengehen mit einem grossen Mitbewerber war oder ist nie Thema?
MB: Nein, wir sehen derzeit keinen Grund dazu. Wir wollen unsere unternehmerische Unabhängigkeit bewahren.

Poenina Oerlikon wiederum plant ein Zusammengehen mit dem Zürcher Elektroinstallateur Burkhalter. Wäre die Elektrotechnik auch ein Bereich, in dem sich Hälg künftig engagieren könnte?
RB: Wir prüfen dies zwar in jeder Strategieperiode, kommen aber immer wieder zum gleichen Schluss: Es bringt uns und den meisten Kunden keinen Mehrwert. Denn Gewerke und Geschäftsmodell sind sehr unterschiedlich – und es gibt keinen Druck seitens des Marktes, dies auch anzubieten.

Eine Auswirkung der Pandemie war, dass Rohstoffpreise massiv gestiegen sind. Können Sie diese an die Kunden weitergeben?
RB: Bei laufenden Projekten und Verträgen ist das oftmals schwierig. Neue Offerten hingegen basieren auf aktuellen Lieferantenofferten. Die ganze Branche schenkt dem Thema aber zu wenig Beachtung und sollte dringend umdenken. Andere Branchen wie etwa die Baumeister machen das besser. Der Krieg in der Ukraine verschärft die Situation noch – bei gewissen Produkten sind nur noch Tagespreise erhältlich.

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Apropos Kunden: 98 Prozent würden Sie weiterempfehlen, sagt eine Befragung. Was ist das Geheimnis Ihres Erfolgs?
MB: Das sind Leidenschaft und Freude sowie der handwerkliche Stolz unserer Mitarbeiter auf ihre Arbeit. Die Kunden wissen, dass sie sich jederzeit sich auf Hälg verlassen können. Wir existieren auch morgen noch und sind inhabergeführt, kein anonymer Konzern.

Auch bei den Mitarbeitern stehen Sie hervorragend da: 89 Prozent empfehlen Hälg als Arbeitgeberin weiter. Was machen Sie bei der Mitarbeiterpflege besser als andere Arbeitgeber?
RB: Auch unsere Angestellten können sich auf das Unternehmen Hälg verlassen. Wir wissen, dass sie das Kapital der Firma sind. Wir fordern nicht nur, sondern fördern wo immer möglich. Das bedeutet auch, dass wir die Anliegen der Mitarbeiter ernst nehmen und immer ein offenes Ohr bzw., dank unserer flachen Hierarchie, eine offene Türe haben. Zudem nehmen wir unsere gesellschaftliche Verantwortung wahr und sorgen mit unserem Handeln dafür, dass das Unternehmen auf lange Sicht erfolgreich bestehen kann und entsprechend mit Ressourcen umgeht – und das meinen wir nicht nur bezogen auf die natürlichen und finanziellen Ressourcen, sondern auch im Umgang mit Mitarbeitern und externen Stakeholdern.

Und finden Sie für alle Bereiche jeweils genügend Leute?
MB: Klar, der Fachkräftemangel ist auch bei uns schon lange ein Thema und verschärft sich weiter. Unser Ziel ist, unsere Mitarbeiter langfristig bei uns zu halten. Deshalb ist uns auch deren Pflege so wichtig. Zum Gewinnen von neuen Kolleginnen und Kollegen ist die Weiterempfehlung durch eigene Mitarbeiter sehr wichtig. Und wer empfiehlt ein Unternehmen weiter, in dem er nicht wertgeschätzt wird? Grosse Investitionen tätigen wir auch in die Ausbildung der Lehrlinge, um selber Nachwuchs zu schaffen, und in die Weiterbildung der Berufsleute, damit sie die immer weiter steigenden Anforderungen bewältigen können.

Das Megathema sind erneuerbare Energien: Die Dekarbonisierung müsste Ihr Geschäft boomen lassen. Ist das so?
RB: Diese betrifft vor allem das Geschäft «Heizung»; einen von vielen Bereichen. Der Trend ist zwar nicht neu, nimmt aber Tempo auf. Die Dekarbonisierung muss man allerdings auch mit Energieeffizienz ergänzen. Also den schonenden Umgang mit den Ressourcen, zu dem wir in allen Geschäftsfeldern unseren Beitrag leisten können. Sie haben also recht, die Dekarbonisierung spült Wasser auf unsere Mühlen.

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«Die ganze Branche schenkt dem Thema Rohstoffpreise zu wenig Beachtung.»

Die Hälg & Co. AG wurde in den 1920er Jahren gegründet. Sie sind die vierte Generation. Welche Werte vorheriger Generationen haben Sie in Ihrer Führung geprägt?
RB: Da gibt es drei zu nennen: das Unternehmertum, also den Mut zu haben, etwas zu bewegen, etwas zu tun, etwas zu riskieren. Dann das Qualitätsdenken, das bei uns seit jeher ganz zuoberst steht. Und last, but not least das verantwortungsvolle Handeln, wie es Ferdinand Hälg wichtig war und wie wir es auch heute noch leben.

Heute sind Start-ups in aller Munde. Wie sehen Sie sich in diesem innovativen Umfeld als 100-jähriges Unternehmen?
MB: Wir beobachten Trends und einzelne Start-ups sehr interessiert. Wir sehen uns selbst allerdings weniger als Entwicklerin, eher als Fast Follower – wenn etwas Neues auf den Markt kommt, das wir in unsere Prozesse integrieren können, sind wir rasch dabei, denn ständige Weiterentwicklung ist uns wichtig. Innovation beinhaltet für uns, neue Technik und neue Technologien zu studieren, zu prüfen und zu nutzen, wenn sie sich als gut erweisen. Das war schon immer so.

Hälg war schon vor 100 Jahren innovativ?
RB: Absolut, deshalb heisst unser Claim fürs Jubiläumsjahr auch «Zukunftsfähig. Seit 1922.» Denn bereits 1922 war die kleine Firma eine der ersten schweizweit, die Zentralheizungen plante und realisierte. Später engagierte sich Hälg über viele Jahre in der Normierung damals neuer Gebäudetechniksysteme, etwa Bodenheizungen. Und auch die erste Wärmepumpe installierten wir bereits in den 1980er Jahren. Als Systemintegratorin von Gebäudeautomations-Systemen, quasi dem Gehirn jeder Gebäudetechnikanlage, bleiben wir sowieso immer an den aktuellen Entwicklungen der Systemanbieter dran.

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