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«Es ging zu wie im Taubenschlag»

«Es ging zu wie im Taubenschlag»
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Als Herstellerin von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln erlebte die Aadorfer Halag Chemie AG turbulente Monate.

2020 konnte die Halag Chemie AG ihr 50-Jahr-Jubiläum begehen – und wurde zu Beginn der Pandemie vor ungeahnte Herausforderungen gestellt. «Mit unseren Produkten fokussieren wir uns auf die Hygieneanforderungen der Ernährungswirtschaft, doch plötzlich erhielten wir Anfragen nach Desinfektionsmitteln aus verschiedensten Branchen.», sagt CEO Martin Schenk, «es ging zu wie im Taubenschlag und die Telefone standen kaum still.»

Der Markt der Halag umfasst gewerbliche Betriebe wie Metzgereien oder Käsereien bis zu industriellen, lebensmittelverarbeitenden Betrieben wie Emmi oder Bell. Hier ist die Halag Chemie AG der Schweizer Marktführer. Alle diese Kunden meldeten einen Mehrbedarf an Desinfektionsmitteln, doch nicht nur sie: Auch Amtsstellen, Arztpraxen, Spitäler oder die SBB wollten sich nun von der Halag beliefern lassen.

«Die Panik ist vorbei, die Nachfrage pendelt sich auf einem normalen Niveau ein»

Das Grossraumbüro der Halag wurde zum Call-Center, vom Marketing über den Beratungsdienst bis hin zu den Mitarbeitenden in Forschung & Entwicklung, nahmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verschiedenster Abteilungen Bestellanfragen telefonisch entgegen. Mit einer automatischen Ansage wurde versucht, den Anfragestrom zu kanalisieren. «Obwohl wir die Rationierung von Desinfektionsmitteln auf unserer Website kommunizierten, erhielten wir täglich Dutzende von Anfragen, die wir leider ablehnen mussten, um den Grundbedarf unserer Bestandskunden decken zu können.» Diese Loyalität und das Bewusstsein um ihre Rolle als systemrelevanter Betrieb zur Sicherstellung der Versorgung der Schweiz mit inländischen Lebensmitteln hat dem Unternehmen viele positive Rückmeldungen eingebracht.

Das Tagesgeschäft und die generelle Nachfrage nach Produkten aus dem Hauptsortiment, den Reinigungsprodukten, durfte durch den Ansturm nicht beeinträchtigt werden. «Denn neben aller Notwendigkeit für sichere Hand- und Oberflächenhygiene in Zeiten der Pandemie, musste natürlich auch weiterhin die Produktion von Schweizer Lebens- mittel auf hohem Hygieneniveau sichergestellt bleiben», erzählt Martin Schenk:

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Kapazität erweitert

Neben der Versorgung bestehender Kunden musste die Halag, die zur über 10 000 Mitarbeitenden zählenden Fenaco-Gruppe gehört, auch Wünschen der Muttergesellschaft, für die konzernweit zentral organisierten Hygienekonzepte nachkommen: Die Fenaco-Betriebe, zu denen u. a. auch die Landi- oder Volg-Läden zählen, wurden für den Eigenbedarf mit Desinfektionsmittel und Spendersystemen für die WC-Anlagen und Eingangsbereiche beliefert. Schlagartig erweiterte sich so der Kundenstamm enorm.

«Wir waren gezwungen, unsere Kapazität zu erhöhen und haben in der Produktion und der Spedition temporäre Mitarbeitende eingestellt», erklärt Martin Schenk. Zur Kapazitätserweiterung wurde eine provisorische Abfüllanlage entwickelt und gebaut, um mit temporären Produktions-linien der Nachfrage Herr zu werden.

Bald stellten sich jedoch weitere Versorgungsengpässe ein: Wie kommt man als Desinfektionsmittelhersteller – inzwischen mit den notwendigen, behördlichen Freigaben zur Produktion neuer Desinfektionsprodukte versorgt – an genügend alkoholische Rohstoffe? Seit in der Schweiz das Pflichtlager für Ethanol per Ende 2018 aufgehoben wurde, beschafft die Halag z. B. Ethanol und verschiedene andere, geeignete Alkohole auch im Ausland. «Unsere bestehenden Lieferanten konnten aber plötzlich nicht mehr die benötigten Mengen liefern», berichtet Martin Schenk. Zudem wurden an der italienischen und der französischen Grenze Tanklastwagen gestoppt. Die Italienischen Zöllner verlangten zusätzliche Papiere einer Behörde, die im Lockdown gar nicht besetzt war. «Wir haben deshalb mit dem Seco gesprochen, das dann die zuständigen Stellen in Rom kontaktiert hat.» Nach zwei Wochen kam die Lieferung endlich durch.

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Neue Lieferanten gefunden

«Parallel haben wir nach weiteren potenziellen Lieferanten gesucht», sagt Martin Schenk. «Glücklicherweise bestehen innerhalb unseres Konzerns Kontakte nach Norwegen. Dort wird aus Holzschnitzeln Bio-Ethanol hergestellt und wir hatten Zugriff auf diese Kontingente.» Dieser Alkohol dient eigentlich als Treibstoff-Ersatz, hat aber auch die Zulassung als Desinfektionsmittelwirkstoff. «Wir haben mehrere Tank- ladungen geordert, die dann per Bahn transportiert wurden.» Auch diese Lieferung verzögerte sich: Im April 2020 kam es in bei Auggen, nördlich von Basel, durch ein bei Abbrucharbeiten auf die Gleise gefallenes Brückenteil, zu einem schweren Zugunglück. Eine der meistbefahrenen Güterzugstrecken Europas wurde unterbrochen. Auch dieser Alkohol kam erst verspätet und auf Umwegen in der Schweiz an.

«Wir erhielten täglich Dutzende von Anfragen, die wir leider ablehnen mussten.»

Nicht nur bei den Rohstoffen kam es zu Engpässen, auch die Versorgung, insbesondere mit Flaschen für die direkte Entnahme bei der Handdesinfektion, gestaltete sich sehr schwierig. «Wir haben zeitweise keine Pumpspender mehr bekommen, und mussten auch bei den Flaschen Kompromisse in Bezug auf ihr Aussehen eingehen. Dank neuer Lieferanten konnten wir aber stets liefern – auch wenn wir weltweit das zusammensuchen mussten, was zu kriegen war», sagt Martin Schenk. Denn abzufüllen gab es einiges: Der Absatz an Desinfektionsmittel hat sich im Vergleich zu 2019 mehr als verdreifacht. Dabei lief die Herstellung der anderen Halag-Produkte, insbesondere der professionellen Reinigungsmittel für Lebensmittelbereich, ganz normal weiter. Dank dieser unerwarteten, übermässigen Auslastung bestand für die Halag Chemie AG, wie auch für die gesamte Fenaco Gruppe, keinerlei Veranlassung staatliche Unterstützung zu beanspruchen. Im Gegenteil es konnten sogar zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden.

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Nachfrage ging wieder zurück

«Wir haben schon von der Situation profitiert, aber wir haben unsere Position zu keiner Zeit ausgenutzt. Preiserhöhungen wurden nur im Rahmen der aufgrund massiv gestiegener Nachfrage gestiegenen Rohstoff- und Verpackungspreise an den Markt weitergegeben. «Unsere deutlich grösseren internen Aufwendungen in dieser Phase, verbuchen wir gemäss des Selbstverständnisses unseres Versorgungsauftrages», erklärt der Halag-CEO, und fügt an: «Für den Mehrumsatz, den wir erzielt haben, waren kreative Entscheidungsprozesse und grosser Teamgeist bei allen Beschäftigten notwendig» Die Belegschaft der Chemiefirma arbeitete in der heissen Phase an sieben Tagen in der Woche, «alle haben gesehen, was los war und haben sich bereit erklärt zu helfen, auch das entspricht unserer Kultur.»

Inzwischen hat sich die Situation wieder etwas entspannt, «die Panik ist vorbei, die Nachfrage pendelt sich auf einem normalen Niveau ein». Darum können bei der Halag Chemie AG jetzt Überstunden abgebaut werden. Im Unternehmen selbst gab es im letzten Jahr nur zwei bestätigte Corona-Infektionen, «das strikte Einhalten der Schutzkonzepte hat sich bezahlt gemacht, natürlich hatten auch wir unsere zahlreichen Desinfektionsmittelspender immer gefüllt – sie wurden rege in Anspruch genommen.»

Text: Philipp Landmark

Bild: Marlies Thurnheer

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