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Eigen- oder Fremdfinanzierung?

Eigen- oder Fremdfinanzierung?
Hanspeter Thür
Lesezeit: 4 Minuten

Hanspeter Thür war über 30 Jahre in der Finanzindustrie im In- und Ausland tätig, zuletzt von 2017 bis 2021 als Regionaldirektor der UBS in der Ostschweiz. Aktuell wirkt er in verschiedenen Aufsichts- und Beratungsgremien mit. Seit Januar 2023 ist Thür Präsident des Verwaltungsrates der St.Galler Nachfolgespezialistin Continuum AG. Er skizziert, mit welcher Finanzierungsart KMU ihre Investitionen intelligent steuern können.

Die Eigenfinanzierung bezieht sich auf die Verwendung eigener Mittel zur Finanzierung eines KMUs. Dazu gehören das eingesetzte Eigenkapital der Eigentümer sowie die Gewinne, die im Unternehmen erwirtschaftet werden. Im Gegensatz dazu bezieht sich die Fremdfinanzierung auf die Beschaffung von Geldern von externen Quellen wie Banken, Investoren oder Kreditgebern. Diese Fremdmittel müssen über eine bestimmte Frist wieder zurückbezahlt werden und sind in der Regel zu verzinsen.

Die Vorteile der Eigenfinanzierung

«Durch die Eigenfinanzierung behält das Unternehmen die volle Kontrolle über seine Entscheidungen. Es müssen keine Kompromisse mit externen Geldgebern eingegangen werden, da keine Schulden oder Verbindlichkeiten entstehen. Dies ermöglicht eine grössere unternehmerische Freiheit und Flexibilität», sagt Hanspeter Thür. Im Vergleich zur Fremdfinanzierung fallen bei der Eigenfinanzierung keine Zinsen oder Gebühren an. «Das Unternehmen spart somit Geld, das anderweitig eingesetzt werden kann, um das Geschäft auszubauen oder in neue Projekte zu investieren.»

Bei der Eigenfinanzierung sind auch keine Sicherheiten erforderlich, da keine Kredite oder Darlehen aufgenommen werden. «Dies ist besonders vorteilhaft für KMU, die möglicherweise nicht über ausreichende Vermögenswerte verfügen, die als Sicherheit dienen können», weiss Thür. Eigenkapital ist darüber hinaus dauerhaft im Unternehmen verankert, es gibt keine Rückzahlungsverpflichtungen oder Fristen. «Dies schafft eine stabile finanzielle Basis, die dem Unternehmen erlaubt, langfristig zu planen und zu wachsen.»

«Durch die Zusammenarbeit mit externen Finanzierungsquellen können Unternehmen wertvolle Geschäftsbeziehungen aufbauen.»

Die Vorteile der Fremdfinanzierung

«Die Fremdfinanzierung ermöglicht es KMU, grössere Geldsummen zu beschaffen, als sie aus eigenen Mitteln aufbringen könnten. Dies ist besonders relevant, wenn es um Investitionen in neue Anlagen, Technologien oder die Expansion in neue Märkte geht», streicht Thür den grössten Vorteil von Fremdkapital heraus. Und: Indem ein Teil der Finanzierung von externen Quellen stammt, kann das unternehmerische Risiko auf weitere Parteien verteilt werden. «Wenn das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten gerät, sind die Verluste nicht ausschliesslich von den Eigentümern zu tragen.»

Ein weiterer Vorteil sei, dass Zinszahlungen für Fremdkapital steuerlich absetzbar sein und dadurch die Steuerbelastung des Unternehmens verringern können. «Dies kann dazu beitragen, die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu verbessern», so Thür. Im Gegensatz zur Eigenfinanzierung, bei der das investierte Kapital langfristig gebunden ist, bieten Fremdkapitalgeber oft verschiedene Rückzahlungsoptionen. «Dies ermöglicht es dem Unternehmen, die Rückzahlung entsprechend seiner finanziellen Leistungsfähigkeit zu planen und anzupassen.»

Hanspeter Thür weist noch auf einen anderen Aspekt hin: «Durch die Zusammenarbeit mit externen Finanzierungsquellen wie Banken oder Investoren können Unternehmen wertvolle Geschäftsbeziehungen aufbauen. Diese können in Zukunft zu weiteren Kooperationen oder Chancen führen.»

Wenn ein Unternehmen also über sehr viele liquide Mittel verfügt, die nicht unmittelbar für eine betriebliche Nutzung oder für Ausschüttungen an die Aktionäre vorgesehen sind, kann es sich lohnen, geplante Investitionen mit eigenem Kapital zu tätigen. Demgegenüber ist Fremdfinanzierung fast immer die erste Wahl, wenn sich eine Marktopportunität für Wachstumsprojekte ergibt und dafür kurzfristig Wachstumskapital benötigt wird.

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Leverage-Effekt nicht vergessen

Kurzfristige Opportunitäten finden in der Finanzplanung nur selten Berücksichtigung, weshalb kurzfristig einsetzbares Eigenkapital in hohen Summen meist nicht zur Verfügung steht. Unternehmen, die sich im Wachstum befinden, sind meist noch nicht rentabel und weisen dadurch einen entsprechenden Bedarf an externem Kapital auf. Und: Den Leverage-Effekt dürfe man nicht aus den Augen verlieren. «Dieser tritt dann ein, wenn die Gesamtkapitalrendite grösser ist als der Fremdkapitalzins, den man für das aufgenommene Fremdkapital bezahlt», so Hanspeter Thür.

Gemäss einer Studie des SECO beansprucht rund ein Drittel der KMU einen Bankkredit. Werden diese Resultate nach Betriebsgrösse aufgeteilt, zeigt sich, dass der Anteil der Unternehmen mit Bankfinanzierung bei den Mikrounternehmen deutlich geringer ausfällt als bei KMU mit mehr als zehn Beschäftigten. «Kleinere Firmen finanzieren ihre Investitionen oft aus eigenen Mitteln und sind allein schon wegen ihrer geringeren Grösse generell weniger anlageaffin. Sie verfügen meist nur über einen kleinen Maschinenpark und besitzen keine eigenen Liegenschaften», begründet Thür.

Gibt es eine bestimmte Eigenkapitalquote, die für einen Firmenkredit massgeblich ist?

«Nein», sagt Hanspeter Thür. «Deren Höhe hängt von der jeweiligen Branche ab. So genügt zum Beispiel bei einer Dienstleistungsfirma mit einem geringen Anlagevermögen eine niedrigere Eigenkapitalquote von etwa 25 Prozent. Demgegenüber benötigt ein Bauunternehmen, das über einen grossen Maschinenpark und einen Werkhof verfügt, eine deutlich höhere Eigenkapitalquote von rund 40 Prozent.»

Insgesamt können also sowohl Eigen- als auch Fremdfinanzierung klare Vorteile für KMU bieten. Die Eigenfinanzierung bietet Unabhängigkeit, niedrigere Kosten und langfristige Stabilität, während die Fremdfinanzierung den Zugang zu grösseren Finanzmitteln, Risikominderung, steuerlichen Vorteilen, Flexibilität bei der Rückzahlung und den Aufbau von Geschäftsbeziehungen ermöglicht.

«Bei der Entscheidung zwischen beiden Optionen sollten KMU ihre individuellen Bedürfnisse, Ziele und Risikobereitschaft sorgfältig abwägen», empfiehlt Thür. «Und sich mit einem Profi darüber austauschen.»

Text: Stephan Ziegler

Bild: Marlies Thurnheer

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