Frauen auf die Bühne bringen
Kathrin Loppacher, woher kommt der Name «alphaberta» eigentlich?
Die Wortkreation basiert auf zwei Überlegungen: Alphatiere sind oft männlich. Alphabeten sind – im übertragenen Sinn – der Sprache mächtig. Daraus haben wir die «weibliche» Form der «Alphabertas» abgeleitet, die in unserer Vorstellung gerne reden und eine Vorbildfunktion wahrnehmen. Wir sind überzeugt: Die «Alphabertas» müssen auf die Bühne.
Und wie möchte alphaberta.ch das erreichen?
Ob Vortrag, Podiumsdiskussion, Workshop oder Medienauskunft: Wir wollen alphaberta.ch als die Plattform für Ostschweizer Referentinnen etablieren. Damit machen wir Frauen, ihre (Fach-)Kompetenz und ihr Wissen sichtbarer. Sie werden zu öffentlichen Mentorinnen und ermöglichen wichtige Perspektivenwechsel fürs Publikum.
Der Anteil an Frauen, die jährlich in der Schweiz als Referentinnen auftreten, beträgt lediglich 23 Prozent. Wie hoch ist er in der Ostschweiz?
Dazu gibt es leider keine genauen Zahlen. Aber ein Blick in verschiedene Veranstaltungsprogramme lässt vermuten, dass er noch tiefer ist als der Schweizer Durchschnitt. Die Gründe dafür sind sicherlich vielfältig. Wichtig ist, dass wir für die Zukunft den Perspektivenwechsel bei der Programmausgestaltung unterstützen können – sei es bei Lunches von Service Clubs, bei Anlässen in Vereinen oder an verschiedenen Tagungen.
Wird Frauen einfach keine Bühne geboten – oder meiden sie diese vielleicht gar selbst?
Einerseits ist es so, dass vorwiegend männliche Organisatoren in ihrer «Bubble» nach Referenten suchen – wo sie wiederum überwiegend männliche Referenten finden. Da diese so öfters auf der Bühne stehen, werden sie dann auch wieder angefragt für neue Auftritte … Gleichzeitig gibt es viele Frauen, die zwar über ein grosses Fachwissen verfügen, aber über geringe Auftrittserfahrung. Sie sind dann eher gehemmt, eine Anfrage anzunehmen. Frauen denken leider viel zu oft, dass die eigenen Erfahrungen nicht «der Rede wert seien» – buchstäblich, versteht sich.
Oft hört man auch, dass «sich einfach keine Frau gefunden lassen habe». Nur eine billige Ausrede?
Als Projektleiterin in einer Kommunikationsagentur weiss ich aus eigener Erfahrung, dass es schwierig sein kann, ein passende Frau als Referentin zu finden. Mit unserer Plattform wirken wir dagegen und hoffen, dass es eines Tages wirklich nur noch eine billige Ausrede ist.
Genau da setzt das Projekt an, oder?
Richtig! Wir machen Frauen, die auf die Bühne wollen, auf alphaberta.ch sichtbar und so können sie unkompliziert als Rednerinnen gebucht werden. Interessierte Organisatoren finden sofort alle relevanten Informationen zur Referentin, ihrer Themenschwerpunkten und einem Vorstellungsvideo. Das vereinfacht den Zugang und man merkt bereits im digitalen Raum, ob die Referentin zum Publikum passt.
Gleichzeitig bieten Sie Intensiv-Seminare für Frauen an …
… für jene, die zwar über viel Fachwissen, aber noch über wenig Auftrittserfahrung verfügen, stimmt. Sie lernen von Kommunikationsprofis, wie sie sicher und souverän auftreten – ob im Alltag, bei geschäftlichen Terminen oder auf der Bühne. Zu unseren Trainerinnen gehören gestandene Profis wie die SRF-Journalistin Henriette Engbersen, Yvonne Seitz, Head HR und Communications und Mitglied der Geschäftsleitung bei Abacus, oder die ehemalige stellvertretende Chefredaktorin des St.Galler Tagblatts, Odilia Hiller.
Was glauben Sie, was Referentinnen besser machen als Referenten?
Frauen arbeiten und führen anders als Männer. Das bringt auch neue Perspektiven mit sich – und diese sind es wert, «gehört» zu werden. Wir sind überzeugt, dass letztlich alle davon profitieren können.
Und wo gibt es noch Luft nach oben?
Frauen geben sich häufig bescheidener als Männer und sind eher gehemmt, sich angemessen zu vermarkten. Auch sind ihre Netzwerke – nebst Arbeit, Familie und ehrenamtlichen Engagements – oft nicht gleich etabliert wie bei Männern. Zum Glück gibt es aber mittlerweile tolle Frauenorganisationen und Initiativen, die genau dort ansetzen.
Welche Vorteile ergeben sich daraus, Diversität auf die Bühne zu bringen?
Junge Frauen und Männer brauchen auch weibliche Vorbilder. Insbesondere wenn es um die Bildungs- und Berufswahl, die künftige Teilzeitfrage oder Karrieremöglichkeiten geht. Doch nur wenn «Frau» gesehen wird, ist eine Änderung der Wahrnehmung möglich.
Wie viele Frauen machen aktuell bei alphaberta mit?
Wir haben über 60 Frauen online, die für einen Auftritt, eine Moderation oder einen Workshop gebucht werden können. Weitere rund 20 Frauen kommen in den nächsten Monaten hinzu. Wird man nicht fündig, stellen wir mit unserem grossen Netzwerk den Zugang zu weiteren potenziellen Referentinnen her.
Gehen Sie diese gezielt an oder kommen auch manche auf Sie zu?
Vor der Lancierung der Plattform haben wir viele Gespräche mit potenziellen Referentinnen geführt. Wir mussten sie von unserer Vision überzeugen. Mittlerweile kommen viele selbstständig auf uns zu, weil sie etwa eine Empfehlung erhalten oder jemanden auf der Plattform wiedererkennen.
Wie wird das Projekt finanziert? Und wie die Frauen?
Die Initialisierungsphase von 2020 bis 2022, mit dem Gesamtauftritt, der Erstellung der Referentinnen-Datenbank und der Produktionen von 60 Referentinnen-Profilen wurde massgeblich von den kantonalen Lotteriefonds St. Gallen, Thurgau und Appenzell Ausserrhoden sowie verschiedenen privaten Ostschweizer Stiftungen finanziert. Nun sind wir auf der Suche nach neuen Partnern, um die Plattform nachhaltig in der Öffentlichkeit zu etablieren. Die Honorare für die Referentinnen machen die Veranstalter direkt mit ihnen ab. Wir erhalten weder eine Provision noch einen Anteil an der Gage.
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Wie kommt das Projekt bis jetzt an?
Die Rückmeldungen waren bislang sehr positiv. Verschiedene Referentinnen konnten bereits auf Bühnen vermittelt werden, inklusive Folgeaufträgen. Mit der effektiven Vermarktung der Plattform bei Veranstaltern und Organisationen starten wir allerdings erst jetzt.
Und wo möchten Sie mit alphaberta hin?
Wir möchten alphaberta als Ostschweizer Plattform für Referentinnen etablieren und mit den Intensiv-Seminaren ein anerkanntes Ausbildungsangebot schaffen. Aktuell sind wir zudem an den Konzeptarbeiten für eine «Roadshow» an Schulen, an denen junge Menschen auf spätere Themen wie Vorsorge, Finanzen und Karriere sensibilisiert werden, und für einen Podcast, in dem Frauen über ihren Lebensweg berichten, quasi als «Oral History». Dafür müssen wir aber zuerst weitere Partner finden, die diesen Weg mit uns gehen.
Was wünschen Sie sich in Zukunft bezüglich der Sichtbarkeit von Frauen in der Ostschweiz?
Ich wünsche mir, dass die verschiedenen Perspektiven ganz selbstverständlich in den Veranstaltungsprogrammen berücksichtigt und eingeplant werden. Dass erfolgreiche Frauen ihre Rolle als öffentliche Mentorinnen wahrnehmen. Und dass dadurch Frauen (und Männer) neue Vorstellungen und Vorbilder erhalten, um sich unter anderem selbstbewusst für einen Bildungs- und Berufsweg entscheiden zu können.
Text: Miryam Koc
Bild: Thomas Hary