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Macht Uber das Taxiwesen in St.Gallen kaputt?

Macht Uber das Taxiwesen in St.Gallen kaputt?
Sonja Lüthi
Lesezeit: 5 Minuten

Uber ist seit einigen Monaten auch in St.Gallen aktiv und bringt frischen Wind, aber auch Ängste in die Branche. Welche Bedeutung hat der App-basierte Fahrdienst für das alteingesessene Taxiwesen? Ist er ein Fluch oder ein Segen? Sonja Lüthi, Direktorin Soziales und Sicherheit der Stadt St.Gallen, nimmt dazu Stellung.

Vor wenigen Monaten wurde bekannt, dass das amerikanische Unternehmen Uber in St.Gallen seine Vermittlungsdienstleistungen anbietet. Lüthi stellt direkt zu Beginn klar: Bereits das bestehende Taxireglement macht es möglich. Jetzt sind neu Bestimmungen zu App-basierten Taxi-Dienstleistungen enthalten. Statt eines klassischen Taxifahrdienstes per Telefon oder am Bahnhof kann man über die App einen sogenannten Uber finden. Das sind Fahrer, die die Kunden schnell und günstig ans Ziel bringen sollen. Ein Taxi per App, auf der ganzen Welt einsetzbar.

Dieses Konzept hat sich bereits in anderen Ländern bewährt. Jetzt startet der Siegeszug auch in der Gallusstadt. Statt mit einem Anruf bei einem Taxi-Unternehmen kann man sich die Fahrgelegenheit einfach per App zu sich lotsen. Mit dem Vormarsch dieser Vermittlungs-App ist jetzt ein neuer, grosser Player im Taxiwesen in der Stadt. Wird er den lokalen Unternehmen die Schau stehlen? Droht gar eine Amerikanisierung des Ostschweizer Marktes?

Überarbeitung nach dreissig Jahren

Fragen, die Sonja Lüthi beantworten will. Die Direktorin Soziales und Sicherheit der Stadt St.Gallen weiss bestens Bescheid, fallen die Taxis und deren Reglement doch in ihren Zuständigkeitsbereich. «Uber ist in der Schweiz nicht gleichzustellen mit Uber in den USA oder anderen Ländern. Hier wird nur eine Vermittlungs-App angeboten. Jeder Fahrer, der Fahrten über die App anbietet, bezahlt eine Vermittlungsgebühr an Uber.»

Viele Privatpersonen sehen dabei ein lukratives Geschäft, mit dem sie leicht ein Einkommen generieren können. Was in anderen Ländern eventuell funktionieren mag, ist in St.Gallen aber nicht möglich. «Neben den nationalen Personenbeförderungsvoraussetzungen muss auch die städtische Taxiprüfung abgelegt werden, damit man überhaupt fahren darf. Dazu kommt auch noch, dass das Fahrzeug die städtische Fahrzeugbewilligung benötigt.»

De facto wird es also auch in Zukunft nicht möglich sein, dass jede beliebige Privatperson mit einer vierrädrigen Blechkiste Beförderungsdienste über die Uber App anbieten kann – in St.Gallen ist nur «Uber X» zugelassen, bei dem die Fahrer lizenziert sind. «Uber Pop», das etwa in den USA Privatpersonen ermöglicht, Passagiere mitzunehmen, ist verboten.

Lüthi stellt klar, dass der Vormarsch von Uber bereits nach dem aktuellen, resp. alten Recht erfolgt ist. Dennoch: «Im revidierten Taxireglement werden neu die App-basierten Personenbeförderungsdienste explizit geregelt. Für diese gelten dieselben Bestimmungen wie für das klassische Taxigewerbe.» Erleichtert dies Uber den Einstieg in das lokale Gewerbe nicht ungemein? «Nein. Von einer Erleichterung für App-basierte Dienste kann man nicht reden», sagt Lüthi. Denn die Uber-App sei nur eine Ergänzung der bisherigen Taxi-Bestellmöglichkeiten – Telefon, Winken, Zusteigen.

Schon heute nutzen erste Taxi-Unternehmen die App als Zusatz-Auftragsgenerator: «Für mich bedeutet Uber keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung», sagt ein Taxifahrer aus St.Gallen, der anonym bleiben möchte. «Ich habe meine übliche Kundschaft – und jetzt noch diejenige dazu, die uns per App bestellen.»

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«Uber-Fahrer haben dieselben Vorgaben wie das klassische Taxigewerbe.»

Kampf mit ungleich langen Spiessen?

Und doch fischt ein internationaler Player im gleichen Teich wie KMU, wodurch die Frage aufkommen kann, ob hier mit ungleich langen Spiessen gekämpft wird. «Der verfassungsrechtlich geschützte Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit verlangt, dass auch App-basierte Personenbeförderungsdienste wie Uber zuzulassen sind, sofern sie sich an die geltenden Bestimmungen halten. Uber-Fahrer haben hier dieselben Vorgaben wie das klassische Taxigewerbe. Die Stadtpolizei kontrolliert dies regelmässig», betont Lüthi. Unter diese Kontrollen fällt auch die Einhaltung der Arbeits- und Ruhezeitverordnung.

Dass die Amerikaner jetzt auch in St.Gallen auf den Plan treten, ist daher also rechtens. Gemäss Binnenmarktgesetz besteht in der Schweiz ein Anspruch auf freien Marktzugang. «Die Stadt darf daher das lokale Gewerbe weder bevorzugen noch schützen.» Und doch passierte genau das – nicht aber Uber wurde bevorzugt, sondern die lokalen Unternehmen. «Bis anhin galten einmal erteilte Standplatzbewilligungen unbefristet. Zusammen mit der begrenzten Anzahl an ebensolchen führte dies faktisch dazu, dass der Markt für neue Fahrer nur sehr eingeschränkt zugänglich war», so die Stadträtin.

Kundschaft hat das letzte Wort

Die neuen Bestimmungen tragen nun dem Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit und dem Binnenmarktrecht Rechnung. «Ich kann natürlich verstehen, dass einige Unternehmen Unbehagen verspüren ob der veränderten Situation. Aber ich bin auch überzeugt, dass in der Stadt weiterhin etablierte lokale Unternehmen Fahrgäste transportieren werden. Letztlich muss sich aber die Kundschaft entscheiden, welchen Dienst sie nutzen will», bilanziert Sonja Lüthi.

Denn zwischen App-basierten Beförderungsdiensten wie Uber und herkömmlichen Taxiunternehmen seien die Unterschiede nicht gross: «Unsere KMUs erhalten ebenfalls Fahrten über die Uber-App. Die App-basierten Dienste unterscheiden sich insofern von klassischen Taxis, als sie ausschliesslich auf Bestellung über eine Online-Plattform erfolgen und dem Fahrgast vor der Bestätigung bereits ein Pauschalpreis für die gesamte Fahrt übermittelt wird.» Die Marktzulassung ist für sie aber ebenso schwierig oder leicht wie für «normale» Taxidienste.

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«Ich schätze unser lokales Unternehmertum sehr.»

Das übergeordnete Recht respektieren

Ausserdem ist sich Lüthi sicher, dass die lokalen Unternehmen auch künftig attraktiv bleiben werden. «Wer sein Image weiterhin pflegt und dabei den sich verändernden Bedürfnissen nachkommt, wird meines Erachtens auch in Zukunft reüssieren können. Ich schätze unser lokales Unternehmertum nämlich sehr.» Dennoch käme die Stadt nicht umhin, bei der Schaffung von rechtlichen Grundlagen auch übergeordnetes Recht respektieren zu müssen.

Dementsprechend kann die lokale Wirtschaft nicht vor internationaler Konkurrenz geschützt werden. «Sofern die lokalen Unternehmen die Bewilligungsvoraussetzungen erfüllen, können sie ihre Dienstleistungen nach wie vor anbieten. Wenn sie die entsprechenden Vergabekritiken erfüllen, haben auch sie intakte Chancen, weiterhin Standplatzbewilligungen zu erhalten.»

«Möglichst wettbewerbsneutral»

Doch warum wurde das Taxi-Reglement überhaupt geändert? Es schien doch alles zu funktionieren? Die Politikerin begründet damit, dass das alte Reglement bereits 30 Jahre alt gewesen sei und daher überarbeitet werden musste. «Die grosse Veränderung, welche das neue Reglement mit sich bringt, hat nichts mit den App-basierten Diensten zu tun. Es betrifft konkret das klassische Taxigewerbe resp. die Vergabe der Standplätze.»

Nebst einer fehlenden Regelung für die Vergabe von Standplatzbewilligungen sprachen insbesondere auch veränderte Umstände und Bedürfnisse der Bevölkerung sowie neuere Entwicklungen wie die Digitalisierung für eine totale Revision. Hierbei sei das Ziel verfolgt worden, das neue Reglement möglichst wettbewerbsneutral zu machen.

«Mit dem geänderten Reglement werden Bewilligungs-voraussetzungen für App-basierte Personenbeförderungsdienste explizit geregelt. Weiter werden die unbefristeten Standplatzbewilligungen abgeschafft und deren Vergabemodus wird definiert», fasst Sonja Lüthi zusammen.

Text: Fabian Alexander Meyer

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

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