Appenzeller 3D-Innovationen für die ganze Welt
Ralf Schindel, weshalb ist die Prodartis AG in Appenzell beheimatet und nicht in Zürich oder St.Gallen?
Neben der hohen Teilequalität legen wir grössten Wert auf die persönliche, geradlinige, ehrliche und verlässliche Beratung. Das sind auch jene Tugenden, die man in Appenzell nicht suchen muss. Zudem sind 3D-Daten unsere Basis – und was ist schon dreidimensionaler als der Alpstein? (lacht)
Was sind die Vorteile von additiv gefertigten Bauteilen gegenüber herkömmlichen?
Weil damit sehr komplexe Formen wie Kanäle, Hinterschnitte oder Hohlkammern in einem Prozess und werkzeuglos gebaut werden können. So ist es möglich, eine ursprünglich aus mehreren Teilen bestehende konventionell gefertigte Baugruppe umzukonstruieren, sodass alle Funktionen der Baugruppe in einem Bauteil vereint werden. So entfällt die gesamte Montage der Einzelteile. Bei dieser sogenannten Stücklistenreduktion werden Bauteile, Material, Energie und Montagezeit eingespart, was nicht nur die Umwelt schont, sondern auch das Portemonnaie unserer Kunden.
Wo liegen die Herausforderungen bei der Fertigung von 3D-Bauteilen?
Da wir im Wettbewerb mit den konventionellen Technologien stehen, ist unsere grösste Herausforderung, eine konstant hohe und gleichbleibende Qualität zu gewährleisten. Zudem ist nach wie vor zu wenig bekannt, dass so nicht nur Prototypen und Funktionsmodelle, sondern auch Bauteilserien von mehreren 1000 oder gar 10 000 Teilen wirtschaftlich produziert werden können. Deshalb sind wir auch in der Lehre tätig – mit Workshops zur additiven Fertigung bzw. zum industriellen 3D-Druck.
Leiden auch Sie unter Engpässen bei den Rohstoffen?
Wir sind in der glücklichen Situation, dass wir Spezialkunststoffe verarbeiten, die auf dem Weltmarkt nicht zur grossen Masse zählen. Diese sind (noch) nicht von den Lieferengpässen betroffen, wohl aber müssen auch wir mit Preiserhöhungen kämpfen.
Und wie sieht es mit Fachkräften aus? Finden Sie genügend?
Wir suchen laufend Fachkräfte; dies ist ein Spiessrutenlauf. Es ist zu wenig bekannt, dass Appenzell auch eine spannende und schlagkräftige Industrie beherbergt, wie Firmen aus der Elektrobranche, MEM- oder Medtech-Branche. Zugutekommt uns, dass der industrielle 3D-Druck eine sehr flexibel einsetzbare und deshalb attraktive Technologie ist, die im Trend liegt.
In der Schweiz ist Prodartis führend in einigen Nischen der additiven Fertigung. Welche sind das?
Wir sind fokussiert im Bereich der additiven Fertigung von Kunststoffteilen in Klein- und mittelgrossen Serien. Kunststoffteile deshalb, weil wir von einer viel höheren Produktivität ausgehen können als etwa bei der Metallteilefertigung. Die Branchen mit dem grössten Potenzial sind der Maschinen- und Gerätebau, Robotik und Automation, die Labor- sowie die Medtech-Branche.
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Für wen produziert Prodartis sonst noch 3D-Bauteile?
Immer wieder spannend sind Aufträge für den Leichtbau. So fertigten wir 2015/16 für das Flugzeugprojekt «Solar Impulse» von Bertrand Piccard acht extrem leichte und dünnwandige (< 0,6 mm Wandstärke) Belüftungssysteme. Auch fertigen wir für den vierbeinigen Roboter «ANYmal» des Zürcher Robotik-Unternehmen ANYbotics verschiedene gewichtsoptimierte Serienbauteile.
Was unternimmt Prodartis in Sachen Nachhaltigkeit?
Wir sind stolz, dass wir bei der Nachhaltigkeit fördernden Agentur Swiss Triple Impact gelistet werden. Das bestätigt unseren steten Beitrag in das Thema. Darunter verstehen wir neben der steten Reduktion unseres CO2-Fussabdrucks auch die Wichtigkeit des betrieblichen Gesundheitsmanagements. Dazu sind wir Unternehmer unseren nachfolgenden Generationen und unseren Mitarbeitern gegenüber verpflichtet!
Und welche Innovationen sind von Prodartis in nächster Zeit zu erwarten?
Materialseitig haben wir soeben ein nachhaltiges, Ressourcen schonendes Material im Markt eingeführt. Es wird aus einem zu 100 Prozent aus den Samen der Rizinuspflanze gewonnenen Kohlenstoff hergestellt und hat hervorragende Materialeigenschaften. Auch neu ist ein Polyamid mit einer sehr hohen antibakteriellen Wirkung, was wichtig für Bauteile mit Hautkontakt ist wie z. B. Orthesen oder Einlagen. Ein grosser Schritt war der Umzug Ende 2022 in ein für unsere Bedürfnisse perfektes Gebäude der ALBA Group in Appenzell. Hier haben wir ideale Platzverhältnisse, die es ermöglichen, uns weiterzuentwickeln.
Text: Patrick Stämpfli
Bild: Thomas Hary