Ostschweiz

«Der Anteil an russischem Gas liegt unter zehn Prozent»

«Der Anteil an russischem Gas liegt unter zehn Prozent»
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Die Versorgung der Schweiz mit Gas ist gesichert, sagt Andreas Bolliger, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Erdgas Ostschweiz AG, im LEADER-Interview. Eine Mangellage liesse sich aber noch nicht ausschliessen.

Andreas Bolliger, kann Ihre Branche den normalen Bedarf an Gas in den nächsten Monaten decken oder müssen sich Privathaushalte und Wirtschaft tatsächlich auf eine Gasknappheit einstellen?

Die Versorgung der Schweiz mit Erdgas ist derzeit gesichert, auch wenn die Lage angespannt ist. Eine Gasmangellage im Winter kann aber nicht ausgeschlossen werden, insbesondere, wenn die europäischen Gasspeicher nicht plangemäss gefüllt werden können und wenn es einen sehr kalten Winter gibt. Trotz ausfallender russischer Gaslieferungen ist es in Europa aber im Moment weiterhin möglich, Gas einzuspeichern.

Die Speicher können also gefüllt werden?

Ja, Die europäischen Gasspeicher erreichen aktuell einen durchschnittlichen Füllstand von über 80 Prozent; der Gesamtspeicherstand in Deutschland liegt bei rund 87 Prozent, was für diese Jahreszeit einen sehr guten Wert darstellt.

Woher beziehen Sie das Gas, das in der Ostschweiz genutzt wird?

Als reiner Netzbetreiber kaufen wir das Gas nicht selbst ein. Das in die Schweiz importierte Gas stammte 2021 noch zu 43 Prozent aus Russland, dahinter folgten Norwegen mit 22 Prozent und verschiedene EU-Länder mit zusammen 19 Prozent.

Wie sieht das heute aus?

Inzwischen ist der Anteil des russischen Gases massiv gesunken, dies aufgrund der Drosselung der russischen Gaslieferungen und der Bemühungen der europäischen Staaten, Gas aus anderen Regionen zu beschaffen. In Europa liegt der Anteil des russischen Gases inzwischen bei weniger als 10 Prozent.

Sie haben vor wenigen Jahren die eigentliche Gasbeschaffung in eine eigene Firma ausgegliedert. Ist das heute ein Vorteil oder ein Nachteil? 

Durch die rechtliche Entflechtung wurden frühzeitig wichtige Anforderungen eines liberalisierten Erdgasmarktes erfüllt und gleichzeitig den strategischen Fokus auf unser Kerngeschäft, den Betrieb und Unterhalt des Hochdrucknetzes, gelegt. Die Gasbeschaffung der lokalen Gasversorger in der Ostschweiz erfolgt seither vorwiegend über die Open Energy Platform AG.

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Von wem ist die Gasversorgung in der Ostschweiz mehr abhängig, von Ursprungsländern wie Russland oder den Ländern mit der Verteilinfrastruktur wie Deutschland?

Die Schweiz beschafft das Gas primär auf den Märkten in Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und Italien und somit in Ländern der EU. Die Schweizer Gaswirtschaft hat keine direkten Lieferbeziehungen zu Russland.

Haben Sie oder ihre als Aktionäre beteiligten lokalen Verteiler die Möglichkeit, einen Gas-Vorrat anzulegen?

Die Schweizer Gaswirtschaft hat in den vergangenen Wochen und Monaten sehr intensiv daran gearbeitet, eine Gasreserve für den kommenden Winter aufzubauen. Die Ziele konnten inzwischen erreicht werden: In den Nachbarländern beträgt die physische Gasreserve in Gasspeichern 15 Prozent des jährlichen Gasverbrauchs der Schweiz. Das entspricht rund sechs Terrawattstunden. Im Weiteren konnte die Beschaffung von Optionen für zusätzliche nicht-russische Gaslieferungen in der Höhe von weiteren sechs Terrawattstunden gesichert werden. Das entspricht etwa 20 Prozent des Schweizer Winterverbrauchs.

Dieses Gas bekommt die Schweiz tatsächlich, wenn es gebraucht wird?

Diese Optionen können bei Bedarf kurzfristig abgerufen werden. Wichtig ist jedoch, dass sichergestellt wird, dass sich die Länder bei einer Mangellage gegenseitig so weit wie möglich unterstützen. Der Bund verhandelt zu diesem Zweck über Solidaritätsabkommen mit Nachbarstaaten, insbesondere Deutschland und Italien.

Rechnen Sie damit, dass Industriebetriebe und KMU vorübergehend Gas mit Öl ersetzen? Welche Konsequenzen hätte das für Sie?

Falls in der Schweiz eine Mangellage eintreten würde, die von der Gasbranche nicht mehr mit marktwirtschaftlichen Lösungen behoben werden kann, trifft die wirtschaftliche Landesversorgung die notwendigen Bewirtschaftungsmassnahmen. In einem ersten Schritt würde der Bund die Verbraucher mit Sparappellen aufrufen, den Gasverbrauch zu reduzieren. Gleichzeitig kann der Bund den Firmen mit Zweistoffanlagen die Umstellung von Gas auf Heizöl vorschreiben. Damit können rund 20 Prozent Erdgas eingespart werden.

Wie werden sich die Preise entwickeln?

Die Grosshandelspreise sind sehr volatil und bewegen sich auf einem ausserordentlich hohen Niveau. Es muss weiterhin mit sehr hohen Gaspreisen gerechnet werden.

Führen die Verunsicherung und gestiegene Preise dazu, dass mehr Kunden den Energieträger Gas ersetzen? 

Die Energiepreise sind generell ausserordentlich hoch. Wieweit Kunden Erdgas mit anderen Energieträgern ersetzen, ist zum jetzigen Zeitpunkt schwierig zu beurteilen. Um die Klimaziele zu erreichen, werden in Zukunft erneuerbare Gase wie Biogas, synthetisches Methan und grüner Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen werden, insbesondere in der Industrie, für die Spitzenabdeckung in Fernwärmenetzen und im Schwerverkehr.  

Text: Philipp Landmark
Bild: zVg

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