«Wir wollen Frauen und ihre Rechte stärken»
Das «Einstein»-Bistro ist ihr Clublokal. Hier treffen sich die Frauen des Business & Professional Women Club (BPW) St.Gallen/Appenzell einmal im Monat. Sie essen gemeinsam Znacht und tauschen sich aus, führen Workshops durch oder lassen sich durch ein Referat inspirieren. So auch an diesem Abend im Oktober. Thema des Vortrags ist die Flüchtlingspolitik. Eine Mitarbeiterin des Staatssekretariats für Migration (SEM) berichtet von ihrer Arbeit in einem der Bundesasylzentren in der Schweiz. Rund 20 BPW-Mitglieder sind ins Bistro gekommen. Denise Schärer freut sich. «Eine schöne Zahl», sagt die Co-Präsidentin des Regionalverbands. «Durchschnittlich nehmen zwischen 20 und 30 Frauen an den monatlichen Treffs teil.» Insgesamt zählt der Club rund 60 Mitglieder, die alle aus den Kantonen St.Gallen und beiden Appenzell kommen. Der Vortrag an diesem Abend ist nicht irgendein Vortrag, sondern das Einführungsreferat eines neuen Mitglieds. «Es hat bei uns Tradition, dass Neumitglieder innerhalb von zwei Jahren ein Referat über sich und ihre Arbeit halten», sagt Denise Schärer. «So haben alle im Club automatisch die Möglichkeit, die Person und ihre spannende Tätigkeit kennenzulernen.»
In allen Bereichen der Wirtschaft vertreten
BPW St.Gallen/Appenzell ist ein Frauennetzwerk und Teil des nationalen Netzwerkes BPW Switzerland. Der Verband vertritt die Interessen von berufstätigen Frauen mit dem Ziel, die wirtschaftliche und politische Teilhabe von Frauen zu verbessern. BPW Switzerland zählt 40 regionale Clubs mit insgesamt 2300 Mitgliedern, die in allen Bereichen der Wirtschaft vertreten sind. Die Frauen üben die unterschiedlichsten Berufe aus, haben die verschiedensten Positionen und Ämter inne. Sie sind sowohl Unternehmerinnen als auch Selbstständige oder Angestellte, sie kommen aus allen Altersklassen und haben unterschiedliche Nationalitäten. Prominente Vertreterinnen des Netzwerkes sind Bundesrätin Karin Keller-Sutter und Alt-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf.
«Mit unserem Netzwerk wollen wir Frauen und ihre Rechte stärken», sagt Denise Schärer. Sie selbst ist seit 2018 Club-Mitglied, seit 2019 arbeitet sie im Vorstand mit. Die Personalleiterin eines Stadtsanktgaller Klein- und Mittelunternehmens war kurz davor von Zürich in die Ostschweiz gezogen und hatte als Gast an einem Treffen der BPW-Frauen teilgenommen. «Ich habe an jenem Abend so viele interessante Frauen kennengelernt und spannende Gespräche geführt, dass ich geblieben bin», sagt die 55-Jährige und lacht.
Seit diesem Jahr präsidiert sie den Club zusammen mit Alexandra Köppel. Die beiden teilen sich die Aufgaben im Vorstand. «Die Zusammenarbeit funktioniert gut, jede weiss, was sie zu tun hat.» Alexandra Köppel leitet bei der Raiffeisenbank St.Gallen den Bereich Compliance & Administration und gehört dem Frauennetzwerk seit sieben Jahren an.
Die 38-Jährige schätzt den professionellen Austausch unter den Frauen. «Alle haben so viele unterschiedliche Erfahrungen gemacht, da kann man sehr viel voneinander lernen und profitieren.» Die Frauen im Netzwerk unterstützen sich auch gegenseitig; beim Einkauf werden beispielsweise die Produkte von Clubmitgliedern berücksichtigt und es werden Business-Empfehlungen gemacht. Es gibt Mentoringprogramme oder Unterstützung bei politischem Engagement.
«Faszinierende Vielfalt»
Letzteres war auch bei Judith Scherzinger Gehrer der Fall, als sie im Oktober 2019 für den Nationalrat kandidierte. Trotz Support des Netzwerkes schaffte die CVP-Vertreterin den Sprung ins Bundesparlament nicht. Für sie sei der gesamte Wahlkampf eine interessante Erfahrung gewesen, sagt Scherzinger Gehrer an diesem Abend im «Einstein»-Bistro.
Die Geschäftsführerin des Scherzinger Baby-Center und Schlaf-Center in Gossau ist seit 2013 Mitglied im BPW-Club. Eine Bekannte habe sie damals motiviert, an einem Treffen teilzunehmen. Und auch sie ist geblieben. Sie war danach sogar während fünf Jahren Präsidentin des BPW St.Gallen/Appenzell. «Diese Vielfalt der Frauen, die sich im Club engagieren, hat mich fasziniert.» Netzwerke wie der BPW-Club seien wichtig, um Frauen noch sichtbarer zu machen. «Dies ist gerade jetzt umso wichtiger, weil diese Sichtbarkeit in der Corona-Pandemie aufgrund von Homeschooling und Homeoffice stark gelitten hat.»
Auch international netzwerken
BPW St.Gallen/Appenzell profitiert vom Netzwerk des nationalen Verbands, dieser wiederum von der weltweiten Community, da BPW Switzerland auch Mitglied von BPW International ist. Im Netzwerk, das zu einem der grössten Frauennetzwerke der Welt gehört, sind rund 30 000 Mitglieder aus allen fünf Kontinenten organisiert. Durch dieses breite Netzwerk ist es den Mitgliedern möglich, sich regional, national und international zu vernetzen.
Die internationale Föderation von BPW International hat Konsultativstatus beim Wirtschafts- und Sozialrat der UNO (ECOSOC) und Beobachterstatus bei weiteren UN-Organisationen. Alle vier Jahren findet ein internationaler Kongress statt, alle zwei Jahre ein europäischer. Mit dabei sind jeweils auch Delegierte aus der Schweiz.
Marianne Wildhaber ist zwar mittlerweile pensioniert, als sie aber noch im Berufsleben stand, durfte sie auch das eine oder andere Mal die Schweiz an einem solchen Kongress vertreten. Sie war in Mexiko, Korea und Finnland. «Diese internationalen Treffen waren für mich jeweils ein Höhepunkt und eine riesige persönliche Bereicherung», erzählt sie. «Ich habe viele interessante Frauen und ihre Arbeit kennengelernt, die mich sehr beeindruckt haben.»
Wildhaber hat vor ihrer Pensionierung mit ihrem Mann zusammen ein Maschinenbau-Unternehmen im Toggenburg geführt. Sie ist seit über 20 Jahren Mitglied bei BPW und nimmt noch heute gerne und regelmässig an den monatlichen Club-Anlässen teil. «Es ist immer wieder schön, all die Frauen, ob jung oder alt, zu treffen und mich mit ihnen auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen.