Im Rekordtempo zum Rekordbau
Mark Breitenmoser, in den USA und in China gibt es schon Achtfach-Sporthallen. In Europa bauen Sie nun die erste. Was unterscheidet solche Sporthallen von üblichen?
Die Dimension ist natürlich eine ganz andere. In Europa sind wir uns tendenziell eher kleinere Bauten im Vergleich zu Übersee gewohnt. Das ist auch bei den Sporthallen nicht anders. Während Drei- oder Vierfach-Sporthallen in der Schweiz nicht unüblich sind, bauen wir jetzt die erste Achtfach-Sporthalle Europas. Dadurch wird eine unglaublich flexible Nutzung ermöglicht.
Zwischen Hüttwilen und Monheim am Rhein liegen 555 Kilometer. Wie kamen Sie zum Projekt?
Nüssli ist international aufgestellt, unter anderem auch mit Niederlassungen in Deutschland – in Hüttwilen TG befindet sich «lediglich» der Hauptsitz. Wir verfügen über eine langjährige Erfahrung in einzigartigen Bauprojekten und ein umfangreiches Netzwerk mit Partnern und Lieferanten, das sich bei Spezialbauprojekten auskennt. Diese Erfahrung hat uns dazu bewogen, uns auf die öffentliche Ausschreibung zu bewerben. Das liegt natürlich auch am sehr interessanten Projekt – an einer solchen Pionierleistung ist man schliesslich nicht alle Tage beteiligt.
Die Verantwortlichen haben sich gegen eine herkömmliche Bauweise entschieden. Wieso?
Bei diesem Projekt war das Tempo ausschlaggebend. Der Zeitplan hätte mit einer herkömmlichen Bauweise nicht eingehalten werden können. Deshalb kombinieren wir bei diesem Bauprojekt diese mit Prozessen aus dem Schnellbau. Konkret heisst das, dass wir gewisse Bauteile vorfabrizieren. Dadurch können mehrere Prozesse parallel stattfinden, was die effektive Bauzeit stark verkürzt.
Nüssli ist bekannt für Temporärbauten wie die Arena des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfests 2022. Wo liegen die grössten Unterschiede bei der Planung und Umsetzung von Permanent- zu Temporärbauten?
Einerseits existieren im Temporärbau ganz andere baurechtliche Vorgaben als im Permanentbau. Andererseits haben wir bei letzterem mehr Raum für Architektur, die je nach Projekt einen hohen Stellenwert einnimmt. Zuletzt haben temporäre Bauten stets einen Stichtag, an dem das Projekt beendet sein muss. Unsere Erfahrung, diesem Termindruck gerecht zu werden, übersetzen wir nun auch auf den Permanentbau.
Der Spatenstich erfolgte im Mai – wann soll die Halle fertiggestellt werden?
Die Sporthalle soll im Anschluss an die Sommerferien 2024 eröffnet werden. Danach werden noch letzte kleinere Arbeiten abgeschlossen, wodurch die vollständige Fertigstellung auf den Herbst des gleichen Jahres angesetzt ist.
Ist das selbst für Sie eine Herausforderung?
Ja, absolut – aber genau diese ist es auch, die das Projekt so interessant macht. Bei einem derart eng durchgetakteten Zeitplan müssen alle Schritte perfekt aufeinander abgestimmt sein. Selbstverständlich tauchen aber auch bei solchen Zeitplänen unerwartete Herausforderungen auf. Da ist dann Kreativität gefordert, um ohne Verzögerungen fortfahren zu können. Wir dürfen aber auf ein erfahrenes Projektmanagementteam und auf Partnerfirmen zählen, die alle die Kompetenz für ein solches Projekt mitbringen und den Druck und die Herausforderungen kennen. Trotzdem sind die Lieferketten auch heute noch unberechenbar und können uns so unerwartet vor Herausforderungen stellen.
Was kommt bei diesem Projekt erschwerend dazu?
Da existieren die bekannten Herausforderungen wie die Reduktion des Baulärms oder unbeständiges Wetter. Weiter bauen wir die Sporthalle während des laufenden Schulbetriebs, was eine besondere Abstimmung in Verkehrssicherung, Zutrittssicherung, Lärmreduzierung und vermeidung mit sich bringt.
Andy Böckli, auch die Baubranche blieb von der Corona-, Ukraine- und Energie-Krise nicht verschont. Wie hat Nüssli diese Zeiten erlebt?
Während der Pandemie fanden keine Veranstaltungen statt, was für uns als Profis im Event- und Temporärbau verheerend war. Hier haben staatliche Massnahmen wie die Kurzarbeit-Unterstützung sehr geholfen. Diese ruhigere Zeit haben wir dann genutzt, um interne Prozesse und Strukturen zu optimieren und neue Projekte punkto Digitalisierung anzustossen. Herausfordernd ist heute die Situation rund um die Erhöhung der Materialpreise oder die Lieferkettenengpässe. Alles ist unberechenbarer geworden.
Spiegelt sich das im Umsatz wider?
Nüssli konnte trotz Pandemie auf ein solides Ergebnis in den Coronajahren zurückblicken. Da die Massnahmen zu Beginn des letzten Jahres grösstenteils aufgehoben wurden, lag der Umsatz mit Events 2022 aber nun wieder auf einem sehr hohen Niveau – wie in der Zeit vor der Pandemie.
Und wie sieht die aktuelle Auslastung aus?
Wir haben eine facettenreiche Wintersaison erlebt, inzwischen stecken wir bereits voll in der Sommerphase. Bisher ist die Auslastung sehr hoch. Wir haben uns deshalb entschieden – wie in den vergangenen Jahren auch –, vermehrt in Mietmaterial zu investieren. Dieses können wir bei internationalen Anlässen verstärkt einsetzen und so langfristig wachsen. Kurz: Nüssli hat an allen Standorten eine sehr gute Auslastung.
Sie sind also fürs Geschäftsjahr 2023 positiv eingestellt?
Absolut. Unsere stetigen Verbesserungen und Weiterentwicklungen zeigen Wirkung – und in allen Ländern sieht die Auftragslage für dieses und auch die kommenden Jahre gut aus.
Beschäftigt Sie der Fachkräftemangel auch?
Natürlich.
Was tun Sie dagegen?
Besonders herausfordernd ist die Situation bei den handwerklichen Fachkräften. Um dem entgegenzuwirken, schaffen wir attraktive Anstellungsbedingungen. Damit möchten wir die individuellen Bedürfnisse unserer Mitarbeiter abholen und auf diese eingehen. Beispiele sind etwa unsere Weiterbildungsangebote sowie die Möglichkeit, unbezahlten Urlaub zu beziehen oder in einem Teilzeit-Pensum zu arbeiten.
Welche weiteren grossen Projekte stehen noch an?
Aktuell sind wir mit unserer Produktionsabteilung dran, diverse grössere Aufträge für McDonald’s Schweiz, Schweizer Salinen oder das CERN abzuschliessen. Und: Im November 2023 realisieren wir die Start-Ziel-Tribüne mit 30’000 Sitzplätzen und das 5000 Quadratmeter grosse, zweistöckige VIP-Podest für das Formel-1-Rennen in Las Vegas. Im nächsten Jahr finden dann die Olympischen Sommerspiele in Paris statt, in deren Rahmen wir verschiedene Projekte vor Ort realisieren. In etwas weiterer Zukunft werden wir anlässlich der Expo 2025 in Osaka auch den Schweizer und den Österreich Pavillon umsetzen.
Text: Miryam Koc
Bild: Thomas Hary, zVg