«Wir bauen zuerst virtuell, dann physisch»
Marco Andermatt, zuerst etwas Grundlegendes: Wofür steht «BIM»?
Für «Building Information Modeling» und damit für die Idee eines digitalen Modells, das alle Bauteilattribute transparent und jederzeit nachvollziehbar macht. Kurz: Wir bauen zuerst virtuell, dann physisch. Mit einer dreidimensionalen BIM-Bauplanungs-Software vernetzen und koordinieren wir softwareübergreifend alle am Bau beteiligten Planer und Unternehmer.
Und wo liegt dabei der Nutzen für die Bauherrschaft?
Sie erhält mehr Sicherheit hinsichtlich der Betriebsplanung und der Baukosten. Diese sind realistisch, transparent und besser kontrollierbar. Durch das BIM-Modell erhält der Bauherr jederzeit in Echtzeit Informationen über den jeweiligen Planungsstand und welche nächsten Schritte anstehen.
Aber der Bauherr braucht dafür auch Software-Kenntnisse, oder?
Nein, das Programm ist einfach zu bedienen. Auf einem virtuellen 3D-Gang durch das Gebäude kann sich der Bauherr sein Endprodukt besser vorstellen. Er erkennt zum Beispiel, wie sich kurzfristige Änderungen auswirken könnten – und er kann sich während der Planungs- und Bauphase besser einbringen. So erhält er ein genau auf seinen Verwendungszweck zugeschnittenes Gebäude.
Wenn Sie es herunterbrechen müssten: Was sind die drei, vier grössten Vorteile eines BIM-3D-Modells?
Zuerst möchte ich das vorgängige Lösen allfälliger Schnittstellenprobleme beim Konstruieren zwischen den einzelnen Gewerken nennen. Mögliche Fehlerquellen werden schon am digitalen Modell erkannt und Probleme müssen nicht im letzten Moment auf der Baustelle gelöst werden. Dann verläuft auch die Bauablaufplanung viel koordinierter und effizienter – und die Bauphase wird kürzer, da viele übliche Rituale wie das Messen am Bau oder Korrexpläne während der Ausführungsphase entfallen. Und last, but not least bietet BIM ein wesentlich nachhaltigeres Dokumenten-Management für die Ausführung und als Grundlage für das Facility-Management.
Die Kosten haben Sie nicht erwähnt. Kann man durch die Planung mit BIM günstiger bauen?
Der hohe Detaillierungsgrad auf Werkplanungstiefe und die fertige Lösung sind die eigentlichen Gewinne. Aber wie erwähnt wird die Bauphase kürzer. Diese Zeitersparnis schlägt sich positiv auf die Kosten nieder. Und: Dadurch, dass mehrere Planungsspezialisten verschiedener Branchen an das jeweilige 3D-Modell angekoppelt sind und jedes Detail von der Schraube bis zum Handtrockner schon auf Werkplanungstiefe eingeplant wird, können sämtliche Kollisionen während der Bauphase verhindert werden. Wenn böse Überraschungen ausbleiben, hat dies ebenfalls positiven Einfluss auf die Kosten.
Wie erfolgt die Umsetzung auf der Baustelle ganz ohne physische Pläne?
Unsere Planer erstellen das gesamte Gebäude am Computer zuerst virtuell. Alles aus dem 3D-Modell, mit gewerks- und baubereichsspezifischen Einzelmodellen, wird mittels BIM-to-Field direkt über die Messgeräte auf die Baustelle gesteuert und vermessen. Auch wichtige Nebendaten wie Elektroschemas und Montageinstruktionen von einzelnen Bauteilen sind im BIM-Modell hinterlegt. Die Baustellenverantwortlichen ziehen ihre Daten direkt aus dem Computer der BIM-Boxen, die auf den Baustellen stehen, sowie aus ihren iPads. Mittels Robotik-Stationen wird alles eingemessen. So erreichen wir ein hohes Mass an «planlosem» Bauen.
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Und wie erfolgt die Zusammenarbeit der einzelnen Fachplaner – diese müssen ja auch «BIM-kompatibel» arbeiten?
Bei der Open-BIM-Anwendung konstruiert jeder seine Bauteile und fügt diese über den koordinierten Referenzpunkt ins Gesamtmodell ein. Die Qualitätssicherung übernehmen der projektverantwortliche Hauptkonstrukteur und der Projektleiter im Sinne des BIM-Managers. Durch Einbezug der verschiedenen Planungsspezialisten sind alle Beteiligten, vom Sanitär über den Elektriker bis zum Lüftungsmonteur, jederzeit bestens informiert. Aber Sie haben natürlich recht, das geht nur, wenn alle Beteiligten BIM-fit sind. Bei uns ist BIM Standard; BIM gehört die Zukunft.»
Auch die «Methabauer» müssen BIM-fit sein, wie Sie es ausdrücken. Muss der Bauarbeiter also zum IT-Spezialisten werden?
Nein, das Handwerk spielt weiterhin eine grosse Rolle. Und weil die Applikationen sehr benutzerfreundlich sind, kann jeder damit umgehen. Selbstverständlich schulen wir unsere Leute regelmässig – und das nicht erst seit Kurzem; wir sind eigentliche BIM-Pioniere.
Zum Schluss: Sie haben bei den Vorteilen auch das Facility-Management genannt. Was bringt BIM denn bei Instandhaltung und Unterhalt eines Gebäudes für Vorteile?
Ein Dokument für alle Gewerke, top-aktuelle und wahrheitsgetreue Daten. Das Bauwerk ist lückenlos beschrieben. Durch BIM können Betriebsabläufe über den gesamten Lebenszyklus simuliert werden. Dies bedeutet eine Effizienzsteigerung für die Bewirtschaftung und Erhaltung einer Immobilie über die gesamte Nutzungsdauer unter Einbezug von Ressourcen und Umwelt.
Text: Stephan Ziegler
Bild: Rebekka Grossglauser