Ein Entscheid für den richtigen Standort
Der Haushaltgeräte-Hersteller V-Zug beantwortet Standortfragen eigentlich schon im Firmennamen. Dass das Unternehmen auch einmal ein wichtiges Standbein im Thurgau haben würde, war nicht unbedingt geplant.
V-Zug liess seit den 1970er-Jahren bei der Forster-Kühltechnik in Arbon Kühlgeräte herstellen, bei einem Lieferanten also, der auch für andere namhafte Marken produzierte. 2012 aber hat ein anderer Kunde die Zusammenarbeit mit der Arbonia-Forster-Gruppe beendet und etwa 40 Prozent des Volumens abgezogen, was zu einer Massenentlassung führte.
Werk in schlechtem Zustand
Die AFG bot das Werk daraufhin ihrem Kunden V-Zug an, die es übernahm – und im März 2013 begann die Geschichte der V-Zug Kühltechnik AG in Arbon. Das wertvolle Land mit den Gebäuden direkt am Bodensee gab die Eigentümerin, die Arbonia, verständlicherweise nicht her. «Obwohl wir einen langfristigen Mietvertrag besassen, war uns immer bewusst, dass sich Unternehmenswachstum nur an einem neuen Standort umsetzen lässt», sagt Andreas Albrecht, CEO der V-Zug Kühltechnik AG.
Die Käufer wussten damals, dass das Werk nicht in optimalem Zustand war und insbesondere bei Prozessen und Herstellungsparametern grosses Potenzial hatte. Die neuen Besitzer machten einen Businessplan für das Werk, dieser basierte primär auf zwei Massnahmen: Der internationale Einkauf wurde neu aufgegleist, was Einsparungen von mehreren Millionen Franken einbrachte, und im Werk selbst wurden Produktivitätssteigerungen von fast 25 Prozent realisiert.
«Dadurch wurde die Profitabilität stets verbessert und der Grundstein für die Planung eines neuen Werkes gelegt», erklärt Andreas Albrecht. Er selbst kam 2015 zu V-Zug, um als GL-Mitglied und Leiter der Produktion den Wandel mitzugestalten. Weil es dafür auch einen kulturellen Change benötigte, wurden Teile der Belegschaft ersetzt, wie sich Albrecht erinnert. «Wenn man eine Firma in diesem Zustand übernimmt, dann sind viele gute Leute oft schon weg. Dieses Fachwissen musste wieder sichergestellt werden.»
Mehr Power für die Entwicklung
Vor der Übernahme des früheren Lieferanten hatte V-Zug nie selbst Kühlschränke entwickelt und produziert, nun hatte das Unternehmen erstmals die Möglichkeit, seine Kühlschränke selbst zu bauen. Allerdings war zum Zeitpunkt der Übernahme auch die Entwicklungsabteilung nicht optimal aufgestellt. Es gab noch ausgezeichnetes Personal, das aber im Pensionsalter stand, weshalb V-Zug erst einmal zusätzliche Fachleute rekrutierte. In der ersten Phase 2013 wurde die Entwicklung um 50 Prozent aufgestockt, damit V-Zug die Power bekam, um die Produkte zu entwickeln. «V-Zug wollte nicht einfach die alten Produkte weiterführen, sondern eine neue Generation von Kühlschränken lancieren», erklärt Andreas Albrecht.
Forster-Kühltechnik hatte bis anhin statische Kühlschränke gemacht; V-Zug begann nun, dynamische Kühlschränke zu produzieren. Bei diesen Geräten verteilt ein Ventilator die Luft im Innenraum, wodurch unter anderem die Lebensmittel länger haltbar sind.
Gründliche Evaluation
Die verschiedenen Massnahmen in Arbon griffen, 2015 gelang es tatsächlich, das Werk profitabel zu machen. Die eigene Produktion von Kühlgeräten sollte deshalb weitergeführt werden. «Für uns war klar: Wenn das Kind zu Fliegen kommt, müssen wir einen anderen Standort finden.» Weil V-Zug wusste, dass so etwas nicht in zwei, drei Jahren machbar ist, hatte das Unternehmen langfristige Mietverträge für das Werk in Arbon abgeschlossen.
Der Entscheid, das eigene Produktionswerk weiterzuführen, war auch der Moment, sich grundsätzlich Gedanken über den richtigen Standort zu machen. V-Zug tat dies in aller Gründlichkeit, «zuerst wurden weltweit Standorte evaluiert, in Asien, Osteuropa, Deutschland und der Schweiz», sagt Andreas Albrecht. Für insgesamt sieben Länder wurden verschiedene Parameter von Human Capital bis Steuerniveau untersucht und auch allfällige Verlagerungskosten berechnet. Ergebnis: Kurzfristig wären Standorte in Osteuropa und China wohl günstiger gewesen, in der Mittelfrist-Betrachtung schnitt jedoch der Standort Schweiz am besten ab. Dass V-Zug zu einem familiengeführten Unternehmen gehört, dürfte da durchaus eine Rolle gespielt haben, erklärt Andreas Albrecht: «Es braucht Leute, die an den Standort Schweiz glauben.»
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Faktor «Swiss Made»
In der Evaluation wurde berücksichtigt, dass V-Zug-Kühlschränke das Attribut «Swiss Made» verlören, wenn das Unternehmen wie andere Hersteller in Osteuropa oder China produzieren würde. «Dann machen wir ein vergleichbares Produkt und verlieren die USP, unsere Einzigartigkeit», sagt Albrecht, «wir hätten den Vorteil der Swissnesss nicht mehr.»
Dieser Vorteil ist für einen Premium-Hersteller wie V-Zug essenziell. «Die Kunden zahlen mehr für unsere Produkte, was unter anderem mit den höheren Produktionskosten zusammenhängt.» Wichtigere Argumente für die V-Zug-Produkte sind Qualität, Technologie, Zuverlässigkeit und eben das Marken-Image, Swissness und die nachhaltige Ausrichtung der Unternehmung.
Standort Zug war keine Option
Nachdem der Entscheid für die Schweiz gefallen war, wäre es naheliegend gewesen, die Kühlschrankproduktion nach Zug zu verlegen und die Werke des Unternehmens zusammenzuführen. Bei den Bodenpreisen in Zug wäre eine grossvolumige Produktion allerdings sehr teuer und daher unwirtschaftlich geworden.
Entscheidend für die Standortwahl innerhalb der Schweiz war aber ein anderer Faktor: In Arbon hatte V-Zug in die Belegschaft investiert und viel Kompetenz aufgebaut, «diese wertvollen Leute wollen wir behalten», betont Andreas Albrecht. Die bestehenden Mitarbeiter wurden zum wichtigsten Faktor. Deshalb wurde ein Suchradius von 25 Kilometern um Arbon definiert, um einen neuen Standort zu finden, der für einen Grossteil der Belegschaft weiterhin gut zu erreichbar ist. Innerhalb dieses Radius wurde unter anderem ein Areal in Steinach in Betracht gezogen; es stellte sich aber heraus, dass das wie V-Zug zur Metall-Zug-Gruppe gehörende Unternehmen Belimed Life Science AG einen Vorvertrag für geeignetes Industrieland in Sulgen hatte.
Guter Austausch mit den Behörden
Ab dem Zeitpunkt, als ein Bau in Sulgen erwogen wurde, stand das Unternehmen auch im Kontakt mit verschiedenen Stellen des Kantons Thurgau. «Von Regierungsräten über das Amt für Wirtschaft bis zu verschiedenen anderen Behörden haben uns alle stark unterstützt», hält Andreas Albrecht fest.
Der CEO der V-Zug Kühltechnik AG ist selbst in Arbon aufgewachsen; er startete als Elektromonteur auf dem Bau, wechselte in die Industrie und war dann lange bei der Sefar in Thal, wo er die Karriereleiter erklomm. «Ich bin eher ein hemdsärmeliger Typ», sagt Albrecht über sich selbst, «darum gefällt mir die unkomplizierte, direkte Art hier im Thurgau.» Die zuständigen Leute beim Kanton wie auch bei der Gemeinde Sulgen hätten zugehört und versucht, zu verstehen, was das Unternehmen beschäftigt. «In den Ämtern hat es Top-Leute, und man merkt, dass sie von der Führung auf eine unterstützende Haltung eingeschworen werden.»
Natürlich müssten sich auch die Thurgauer Behörden an Gesetze und Vorschriften halten, trotzdem sei ein Behördenvorgang im Thurgau unkompliziert und sehr supportiv. Das Unternehmen hat seinerseits die Behörden frühzeitig ins Boot geholt, um potenziell schwierige Themen zu klären. «Wir haben leicht entzündliches Cyclopentan an unserem Standort, das als Treibmittel für die Herstellung von Polyurethan-Hartschaumstoffen benötigt wird», sagt Andreas Albrecht. Das Unternehmen organisierte Meetings mit dem Amt für Wirtschaft und Arbeit, dem Amt für Umwelt, den eigenen Maschinenbauern und externen Spezialisten. Dabei wurde diskutiert, wie Schweizer und internationale Vorschriften umgesetzt werden können. «Dass es eine solche Anwendung in der Schweiz nicht gibt, schien für die Behörden erst recht Motivation zu sein, eine gute Lösung zu finden.»
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Investition von 70 Millionen
Das neue Werk in Sulgen wurde 2019 im Rohbau erstellt und dann, während der Pandemie, eingerichtet. Im Frühsommer 2022 wurde die Eröffnung gefeiert. Die Produktion hat eine Kapazität von 145’000 Kühlschränken im Jahr, aktuell werden rund 80’000 Geräte produziert. Das ist vergleichsweise klein, Fabriken von anderen Herstellern sind ein Vielfaches grösser. Die Kühlschränke aus Sulgen werden zu fast 90 Prozent in der Schweiz verkauft, der Rest wird international angeboten. Die Premium-Produkte und Swissness kommen in internationalen Märkten sehr gut an, deshalb wird auf diese Märkte ein starker Fokus gelegt.
Ursprünglich war in Sulgen ein gemeinsamer Industriepark von Belimed und V-Zug Kühltechnik angedacht. Belimed befand sich aber in einer Transformationsphase und es war unklar, welche Bedürfnisse das Unternehmen haben würde. Deshalb entschied die Metall-Zug-Gruppe, dass die V-Zug-Kühltechnik auf einem Teil des Areals allein planen soll. Rund 70 Millionen Franken hat V-Zug inzwischen in Sulgen investiert.
Auf den Wertstrom ausgerichtet
Klar war, dass die Anlagen nach dem Value-Stream-Prinzip geplant werden sollen. In einem Lego-Workshop haben Architekten, Bauführer, Fachexperten aus verschiedenen Bereichen und verschiedene V-Zug-Fachkräfte in Gruppen mögliche Layouts ausprobiert. Als die Produktionsanlagen definiert waren, wurde die Logistik-Anbindung mit dem Hochregallager und dem Fertigwarenlager so geplant, dass möglichst kurze Wege entstehen. Das Bürogebäude mit Labor und Aufenthaltsraum wurde erst am Schluss platziert. «Wer bei uns vorfährt, sieht darum als Erstes den Wertstoff-Entsorgungsplatz; wir haben uns in jeder Hinsicht auf den Wertstrom ausgerichtet», beschreibt Andreas Albrecht.
Es sind viele Besucher, die hier vorfahren, in bereits 100 Führungen seit der Eröffnung wurde die Vorzeigefabrik präsentiert. Albrecht erzählt dann: «Wenn man ein Kühlschrankwerk in der Schweiz, im Thurgau baut, dann sagen Leute, die bei den grossen Herstellern arbeiten, ‹das ist aber sehr mutig!›.» Der CEO sieht das anders: «Ich fühle mich hundertprozentig bestätigt, dass wir den richtigen Standortentscheid getroffen haben.»
Text: Philipp Landmark
Bild: zVg